ZDF-Magazin "Frontal 21": Bundesligaclubs verschleiern ihre Schulden / Bilanzrechtsexperte kritisiert DFL-Lizenzverfahren, HSV-Chef beklagt Wettbewerbsverzerrung
Geschrieben am 08-12-2009 |
Mainz (ots) - Die meisten Bundesligaclubs verschleiern systematisch ihre tatsächliche Vermögenslage, kritisiert der renommierte Bilanzrechtprofessor Karl Heinz Küting. "Bundesliga-Vereine sind lupenreine Konzerne der Unterhaltungsindustrie und legen gleichwohl Jahresabschlüsse vor wie Kegelclubs und Briefmarkenvereine" sagte Küting dem ZDF- Politmagazin "Frontal21" (Sendung am Dienstag, 8. Dezember 2009, 21.00 Uhr). Viele Bundesligaclubs seien mit höheren Schulden belastet als bisher öffentlich bekannt. Küting wertet aus diesem Grund das Lizenzverfahren der Deutsche Fußball Liga (DFL) als völlig unzureichend.
Die DFL prüft derzeit nur, ob ein Verein für die anstehende Saison genügend liquide Mittel zur Verfügung hat, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Eine umfassende Prüfung der Vermögenslage der Fußballkonzerne ist nicht Gegenstand der Lizenzierung. "Dieses Lizenzierungsverfahren kann keinen sachgerechten Einblick in die wahre Vermögens- und Finanzlage eines Konzerns gewähren", kritisiert Küting. Auch der Vorstandsvorsitzende des Hamburger Sportvereins (HSV) Bernd Hoffmann sieht im aktuell geltenden Lizenzverfahren der DFL Schwächen. "Wir wünschen uns natürlich, dass auf Dauer auch die Vermögenslage der Clubs eine Rolle spielt, weil sie auch die Wettbewerbsgleichheit in der Liga sichert", sagte Hoffmann zu "Frontal21". So gäben Pleite-Vereine Millionen aus für Star-Spieler, die sie sich gar nicht leisten können, solide wirtschaftende Clubs seien dann im Nachteil. Die DFL wollte keine Stellung nehmen.
Küting forscht als Professor für Bilanzrecht an der Universität des Saarlandes und hat die veröffentlichten Angaben aller Fußballbundesligisten untersucht. Danach wirtschaften viele Vereine am Rande der Pleite. Extremstes Beispiel sei Schalke 04 mit Schulden von knapp 300 Millionen Euro. Diese seien für Außenstehende kaum zu erkennen. Küting fordert, Schalke04 müsse endlich einen konsolidierten Konzernabschluss veröffentlichen, der auch alle Tochtergesellschaften einschließt. Nur so könne die DFL prüfen, ob Schalke 04 lizenzwürdig sei. Andere Beurteilungen seien für "den Papierkorb" und "nicht sachgerecht". Vertreter von Schalke04 wollten sich dazu nicht äußern. Der Club veröffentlicht bisher lediglich eine Vereinsbilanz. Darin sind Schulden in Höhe von 175 Mio. Euro für das Jahr 2007 aufgeführt.
Die meisten Bundesliga-Clubs veröffentlichen ebenfalls keine Konzernbilanz, verschleiern so ihre Zahlen. Durch diese "unzeitgemäße Bilanzierung" seien tatsächlich vorhandene Schulden nicht erkennbar, und das Lizenzverfahren der DFL werde zur Farce, meint Küting. So machte Hertha BSC in der vergangenen Saison einen Verlust von 1,9 Millionen Euro und hat derzeit rund 65 Millionen Euro Schulden. Der 1. FC Nürnberg kommt aktuell auf 5,8 Millionen Euro Verlust, Bayer 04 Leverkusen auf 11,5 Millionen. Keiner dieser Fußballclubs erstellt eine konsolidierte Konzernbilanz.
"Dass man ein Unternehmen mit einem Umsatz im dreistelligen Millionenbereich als eingetragenen Verein organisiert, ist natürlich schon seltsam", meint auch HSV-Chef Hoffmann. Er fordert die DFL auf, die Clubs genauer zu prüfen. "Dazu ist auch der Blick auf die Vermögenslage ein wichtiges Instrument", sagte Hoffmann. Er kündigte an, dass der HSV in den nächsten Tagen seine Konzernbilanz veröffentlichen werde "Wir werden zum sechsten Mal in Folge ein positives Ergebnis ausweisen", verspricht der HSV-Chef.
Nachfragen bitte an die Redaktion "Frontal21", Telefon: 030/2099-1255 (Ilka Brecht)
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