Westdeutsche Zeitung: Iran = Von Eberhard Fehre
Geschrieben am 28-12-2009 |
Düsseldorf (ots) - Der Iran brennt. Blutige Straßenschlachten toben nicht nur in Teheran, mindestens acht Tote und hunderte Festnahmen sind die Bilanz allein vom Wochenende. Die Gewaltbereitschaft steigt sowohl beim Regime wie bei seinen Gegnern. Der Molotow-Cocktail wird zum Argument, der Polizeiknüppel regiert die Straße. Und es gibt keinen Hinweis darauf, dass die herrschende Fraktion um Präsident Ahmadinedschad eine andere Antwort als die gewaltsame Unterdrückung hat. Ein Rezept, das die Proteste wohl eher noch anfacht. Die Regime-Gegner mischen sich unter religiöse Massenveranstaltungen, die ihnen Schutz und uns die Illusion der großen Zahl geben. Über Twitter und Youtube hat die Opposition im Ausland schon längst die Deutungshoheit über die Vorgänge gewonnen. Über das tatsächliche Gewicht im Land kann nur spekuliert werden. Der für gestern ausgerufene Generalstreik blieb Wunschdenken, und auch der Basar, wichtigster Seismograph in Teheran, ging weiter ungerührt seinen Geschäften nach. Aber was möglicherweise an Massenbasis fehlt, ersetzt die Opposition durch Radikalität und Einsatz. Diese Radikalität ist auch Antwort auf die Dialogunfähigkeit der Regierenden. Fast undenkbar scheint heute, dass noch im September vor den Wahlen Ahmadinedschad und sein Herausforderer Mir Hussein Mussawi in einer landesweit im Staatsfernsehen übertragenen Debatte die Klingen kreuzten. Kritische Zeitungen und Oppositionsgruppen, damals noch geduldet, sind in den Untergrund gedrängt. Selbst eine Veranstaltung von Ex-Präsident Chatami wurde jetzt von Anhängern Ahmadinedschads gewaltsam auseinandergetrieben. Schwierig ist auch die Rolle der Opposition. Führende Köpfe wie Rafsandschani, Mussawi oder Chatami haben auf viele der Jugendlichen so gut wie keinen Einfluss mehr. Wenn sie sich distanzieren, verlieren sie ihren letzten Trumpf im Konflikt mit dem Regime. Die Islamische Republik, schon längst nicht mehr der "Mullah-Staat", ist in die Hände einer durch den Krieg mit dem Irak sozialisierten Techniker-Generation gefallen, die den Klerus nur als Dekoration benutzt. Und entschlossen scheint, diesen Staat - wenn nicht heute, so doch in absehbarer Zukunft - in den Untergang zu führen.
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