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Berliner Morgenpost: Ein untauglicher zweiter Versuch - Leitartikel

Geschrieben am 28-12-2009

Berlin (ots) - Im letzten Bundestagswahlkampf zeigte er sich als
stumpfe Waffe. Jetzt versuchen Linkspartei, Gewerkschaften und ganz
sicher bald auch die SPD die Forderung nach einem flächendeckenden
Mindestlohn wieder anzuspitzen. Nach dem Motto "Was du verlangst, da
leg ich noch mindestens einen Euro drauf" übertrumpfen sich Gregor
Gysi als Vordermann der Linkspartei an dem einen Frontabschnitt, die
Gewerkschafter Michael Sommer und Frank Bsirske am anderen
gegenseitig mit ihrem Verlangen. Deutlich mehr als die bisherige
Forderung von 7,50 Euro Mindeststundenlohn kündigt Sommer an, sein
Kollege Bsirske denkt laut über einen Betrag zwischen 8,50 und neun
Euro nach, und Gysi schlägt gleich richtig zu, hält zehn Euro für
angemessen.
Nach dem Motto "Wer hat noch nicht - wer will noch mal" wird munter
draufgesattelt. Zahlen müssen ja ohnehin andere, und von den
Konsequenzen für die betroffenen, meist minder qualifizierten
Arbeitnehmer interessieren Gysi, Sommer und Genossen allein die
vermeintlich positiven. Dass ein flächendeckender Mindestlohn
Hunderttausende Jobs im Niedriglohnbereich bedrohen würde, wollen sie
nicht begreifen. Viele dieser Arbeitsplätze werden nur besetzt, weil
sie wegen ihrer geringen Produktivität, mangelhafter Qualifikation
oder zu harter Konkurrenz gering bis bescheiden entlohnt werden.
Steigen Löhne plus Sozialabgaben über ein bestimmtes Maß, werden
diese Arbeitsplätze gestrichen. Das ist die Realität.
In der Hoffnung, dass sie nun, da so viele Wähler den Glauben an die
neue schwarz-gelbe Regierung schon wieder verloren haben, mehr
Zuspruch als noch im September findet, tischt die vereinte Linke die
Forderung nach dem Mindestlohn neu auf. Das ist nicht nur
populistisch, es passt auch nicht in die Zeit. Ist ja kein Zufall,
dass auch der Arbeitsmarkt in Deutschland die schwerste
Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten bislang ohne schwere Einbrüche
weggesteckt hat und nach neuen Prognosen wohl weiter von ihnen
verschont bleibt. Ein Grund dafür ist der Niedriglohnsektor. Er hat
sich als Stabilisator am Arbeitsmarkt bewährt.
Auch wenn es über die Hartz-IV-Regelungen (ohne eigener Hände Arbeit)
längst eine Grundsicherung für jedermann gibt, sind Niedriglöhne um
die vier bis sechs Euro allerdings nur schwer in einer Gesellschaft
zu akzeptieren, in der die Teilhabe am Arbeitsleben für die meisten
Menschen eine entscheidende Rolle spielt. Deshalb hat die große
Koalition längst branchenbezogene Mindestlöhne - auch im Hinblick auf
die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2011 innerhalb der gesamten EU -
beschlossen. An ihnen halten Union und FDP fest. Aber für die Zukunft
muss auch im Niedriglohnbereich gelten: nicht der Staat, sondern die
Tarifpartner vereinbaren die Löhne; nach den wirtschaftlichen
Möglichkeiten. Dabei sind im Zweifelsfall auch staatliche Zuschüsse
(Kombilohn) vertretbar. Unverantwortlich dagegen Forderungen nach
einem generellen überhöhten Mindestlohn. Der hilft den Betroffenen
nicht. Der verurteilt zu viele zu neuer Arbeitslosigkeit.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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