Lausitzer Rundschau: Zu CDU/Richtungsstreit: Schlag nach bei Erhard
Geschrieben am 07-08-2006 |
Cottbus (ots) - Die Lausitzer Rundschau, Cottbus, zu CDU/Richtungsstreit:
So nervös wie Bayern München nach der Pleite im Liga-Pokal reagiert die Union auf ihre sinkenden Umfragewerte. Hinter der heftig geführten Debatte steckt das Gefühl, die aktuellen Zahlen könnten ein Reflex auf den realen Zustand der Partei sein und sich dauerhaft etablieren. Angela Merkel ist es nicht gelungen, der CDU eine Orientierung zu geben. Mehr noch: Sie hat sie desorientiert. Schon vergessen, wie die Spitzenkandidatin die Union vor der Bundestagswahl auf neoliberal trimmte, mit Kopfpauschale, Kirchhof und Abbau des Kündigungsschutzes? Die Stammwähler der Union hat das abgeschreckt. Auch hier gibt es niemanden mehr, der nicht Angst hat, dass morgen sein Arbeitsplatz wegrationalisiert, verlagert oder verkauft werden könnte. Nur 35 Prozent, das war die Quittung für Merkels Wahlkampf, der allerdings nicht ihrer allein war. Die ganze Führung hatte dem Programm zugestimmt. In der Union ist seitdem niemals darüber debattiert worden, warum man sich damals so besoffen hat reden lassen vom Wirtschaftsliberalismus. Und nun mit der großen Koalition die abrupte Wende. Mehrwertsteuererhöhung, Erhöhung des Krankenkassenbeitrages, mehr Staat. Der Verweis auf die SPD als bösen Buben trägt nicht weit. Die Union hat die Grenzen ihrer Handlungsmöglichkeiten in der Koalition gar nicht ausgetestet. Merkel will gelernt haben aus der Fastniederlage bei der Wahl. Was hat sie gelernt: Dass das Gegenteil des früheren Ansatzes plötzlich richtig ist? Einzig in der Familien- und Gesellschaftspolitik, teilweise auch im Umweltschutz, gibt es eine klarere Linie. Die Parteichefin orientiert die Union hier langsam um zu moderneren Ansätzen. Und erntet dafür Widerstand in jenen Landesverbänden, die glauben im rückwärts gewandten Konservatismus, garniert mit markigen Sprüchen in der Innen- und Ausländerpolitik, liege das Heil der Partei. Dort liegt allenfalls eine Zukunft als Seniorenvertretung. Zur inhaltlichen Schwäche gesellt sich die Schwäche der Position. Merkel hat innerparteilich keine so starke Stellung wie Helmut Kohl sie hatte. Sie hat viele gleich Starke neben, vor, hinter und teilweise auch gegen sich. Der Union fehlt ein klares Zentrum. Quo vadis, CDU? Eine Anleihe bei Ludwig Erhard könnte nützlich sein. Soziale Marktwirtschaft. Betonung auf sozial und Betonung auf Marktwirtschaft. Beispiel Gesundheitsreform. Was hier beschlossen wurde, hat mit Erhard nichts zu tun. Markt und Wettbewerb wurden nicht gestärkt, die Interessen von Ärzten, Kassen, Arzneimittelherstellern, Apothekern und Gewerkschaften nicht angetastet. Die Reform ist eher sozialistisch, im negativen Sinne. Mehr Geld in ein zerrüttetes, überreguliertes System. Dabei ist es machbar, die Anbieter und Nachfrager der Leistungen unter hohen Effektivitäts- und Marktdruck zu setzen und trotzdem zu garantieren, was garantiert werden muss: Nämlich dass jeder, der krank ist, alle notwendigen Leistungen bekommt und auch bezahlen kann. Aber kurzfristige Klientelinteressen haben mehr noch als die SPD in diesem Fall die Union geleitet, etwa die Rücksichtnahme auf die Privatkassen und auf die Pharmaindustrie. Warum fühlte man sich diesen Interessen verpflichtet? Oder hatte man nur Angst? Erfolgreich für die Zukunft kann die CDU nur sein, wenn sie sich als soziale Partei konsequenter Marktwirtschaft profiliert, die dem ganzen Land und damit auch den eigenen Wählern vor allem eins bringen will: mehr Wohlstand. Auch so ein altes Erhardsches Ziel.
Originaltext: Lausitzer Rundschau Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=47069 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_47069.rss2
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