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Südwest Presse: Kommentar: Das Schweigen der Kanzlerin

Geschrieben am 11-01-2010

Ulm (ots) - Wir brauchen eine Trendwende, hat Angela Merkel
gestern gesagt - und damit den Erhalt der Artenvielfalt gemeint. Zur
Koalition oder zu ihren parteiinternen Kritikern hat sie nichts
gesagt. Dabei wäre auch für die seit nicht einmal drei Monaten
regierende Koalition schon eine Trendwende angebracht - hin zu einem
klaren, entschiedenen Kurs. Die CDU-Vorsitzende und mit der
Richtlinienkompetenz ausgestattete Regierungschefin muss sich schon
als "Nichtlinien-Kanzlerin" verspotten lassen. Ob im Streit über die
von FDP-Pläne für eine Steuerreform 2011, im Ringen um einen
Kompromiss in Sachen Vertriebenenstiftung, in der Debatte über den
Afghanistaneinsatz der Bundeswehr - Angela Merkel schweigt.
Als sei sie weit weg noch im Weihnachtsurlaub, ist nichts zu hören
von ihr, wenn der FDP-Chef und Vize-Kanzler ein gelinde gesagt kühnes
Staatsverständnis - in dem Steuern "Geschenke" der Bürger sind -
propagiert oder wenn die CSU ihr öffentlich Führungsschwäche vorhält.
"Mutti", wie die Kanzlerin intern halb respektvoll, halb
geringschätzig genannt wird, schweigt und, so die Lesart ihrer
Kritiker, lässt die Dinge treiben.
Tut sie das wirklich? Angela Merkel, auch in dieser Haltung gelehrige
Schülerin ihres einstigen Mentors Helmut Kohl, ist der allerdings
nicht unsympathischen Überzeugung, sie müsse sich als Kanzlerin nicht
an jeder tagespolitischen Debatte beteiligen. Nicht jeder Sau
nachspringen, die da mal von den Medien, mal von der Opposition und
nun auch von parteiinternen Kritikern durchs Dorf getrieben wird.
Merkel hat eine eher präsidiale Vorstellung von der Rolle der
Regierungschefin. Ihre in den Umfragen bestätigte ungebrochene
Beliebtheit beim Wahlvolk scheint sie zu bestätigen in diesem Kurs.
Die CDU jedoch ebenso wie die CSU kommen längst nicht so gut weg in
der Volksmeinung und die nächste wichtige Wahl in Nordrhein-Westfalen
Anfang Mai steht schon vor der Tür. Das Murren in den eigenen Reihen
über Merkels abgehobenen Regierungsstil und über die Vernachlässigung
ihrer Amtsautorität im politischen Alltag wird unüberhörbar. Deshalb
kann die Kanzlerin nicht länger schweigen, wenn sich übermorgen die
CDU-Spitze trifft, um die Bilanz der mit schlechtem Ergebnis
gewonnenen Bundestagswahl im vergangenen September zu ziehen.
Die Kritiker können allerdings Merkels Schweigen nicht mit
Tatenlosigkeit gleichsetzen. Waren nicht ihre Ministerberufungen für
die CDU-geführten Ressorts bereits deutliche
Richtlinienentscheidungen? Den rigiden, prinzipientreuen Wolfgang
Schäuble nicht mehr als scharfen Wächter über die innere Sicherheit,
sondern nun über die staatlichen Finanzen? Ist eine grundlegende
Steuerreform 2011 überhaupt noch denkbar, ohne Schäubles
Glaubwürdigkeit zu beschädigen? Den liberaleren Thomas de Maizière
als Innenminister und Kristina Köhler als Familienministerin - das
waren mutige, für die Stammklientel der Union unbequeme
Personalentscheidungen, nicht zu deuten als Ausdruck von
Unentschlossenheit. Entschiedenheit als Parteichefin demonstrierte
Merkel auch mit dem Schachzug, ihren internen Widerpart Günther
Oettinger nach Brüssel wegzuloben und so das Querfeuer aus der
Südwest-CDU vorerst abzustellen.
Als Koalitionschefin freilich geht ihr diese Entschiedenheit ab - der
derzeitige Regierungsstil der Bundeskanzlerin ähnelt frappierend dem
zu Zeiten der verflossenen großen Koalition. Das ist zwar für die
Republik enttäuschend - doch war es wirklich anders zu erwarten?
Mancher in der Union, der jetzt seiner Enttäuschung Luft macht, hat
wohl eher Probleme mit ihrer Richtung als mit ihrem Schweigen.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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