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Börsen-Zeitung: Diät für den Drachen, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 22-01-2010

Frankfurt (ots) - Aktienanleger haben derzeit keine rechte Freude
an ihren Investments. In der beendeten Börsenwoche knickten die
Märkte rund um den Globus ein. Der Dax gab im Vergleich zum Freitag
der Vorwoche um 3,1% nach. Der amerikanische Benchmark-Index S&P500
büßte ebenfalls rund 3% ein. Auch in den Emerging Markets sah es
nicht besser aus: Der Shanghai Composite sackte um 3% ab, der
indische BSE Sensex sogar um 4%.

Ein den Markt belastender Faktor sind sicherlich die neuen
Obama-Pläne zur stärkeren Regulierung der US-Banken. Erstmals hat der
Präsident ernst zu nehmende Beschränkungen der Aktivitäten der
Institute im Wertpapierhandel und im Investment Banking
vorgeschlagen, was mit Blick auf die längst wieder vorherrschende
Kasino-Mentalität überfällig ist. Dies hat nicht nur die Banktitel
getroffen. Da die US-Institute mit umfangreichen spekulativen
Engagements rund um den Globus unterwegs sind und auf den
internationalen Finanzmärkten in großem Umfang Liquidität
bereitstellen, würde ein solcher regulatorischer Rundumschlag in den
Preisen von Aktien, Rohstoffen und noch anderen Assetklassen kräftige
Spuren hinterlassen.

Noch aber ist es nicht so weit: Ob Obamas Vorstellung jemals
Gesetzeskraft erlangt, steht in den Sternen. Die republikanische
Opposition hat Obama in ihren ersten Reaktionen bereits die Zähne
gezeigt. Der Teufel steckt bei derart komplexen Gesetzesvorhaben
zudem bekanntlich im Detail. Und außerdem ist es der US-Bankenlobby
bislang noch immer gelungen, sinnvolle Regulierungsbemühungen stark
zu verwässern. Es ist daher nicht zu erwarten, dass sich die
Obama-Pläne in den nächsten Wochen als größeres Hindernis für die
Märkte erweisen werden.

Von wesentlich größerer Bedeutung für die Märkte ist daher die
Perspektive, dass sich die chinesische Volkswirtschaft überhitzen
könnte. Ein Wirtschaftswachstum im vierten Quartal von 10,7% ist zwar
beeindruckend, aber eben auch besorgniserregend. Die Folge einer
Überhitzung wäre eine aus dem Ruder laufende Inflation, die die
Regierung und die Notenbank quasi zu einer Vollbremsung zwingen
würde. Dies würde dann die Bubble auf den chinesischen Kapitalmärkten
unweigerlich zum Platzen bringen-was schwerwiegende Folgen für die
gesamten Emerging Markets und auch die etablierten Märkte hätte.

Besser wäre es da, wenn der chinesische Drache bereits jetzt auf
Diät gesetzt würde, bevor die Situation aus dem Ruder läuft. Wie es
scheint, macht man sich in Peking dieselben Gedanken: Vor wenigen
Tagen hat die People's Bank of China die Mindestreserveanforderungen
für Geschäftsbanken verschärft und zusätzlich noch direkt auf die
Institute eingewirkt, ihre Kreditvergabe einzuschränken. Das ist auch
bitter notwendig: Allein in der ersten Januarhälfte haben
Kreditinstitute im Reich der Mitte die gigantische Summe von
umgerechnet rund 160 Mrd. Dollar an Krediten neu ausgereicht. Und
nach einem Bericht der South China Morning Post ist die Summe neu
vergebener Hypotheken in der Stadt Shanghai 2009 gegenüber dem
Vorjahr um unglaubliche 1600% gestiegen.

Eigentlich hätten also die Märkte positiv reagieren müssen, weil
Pekings jetzt noch vergleichsweise sanfter Eingriff ja möglicherweise
eine später viel härtere Gangart vermeiden hilft. Die Sache hat
allerdings einen Haken: China hat mit seinem beeindruckenden
Wirtschaftswachstum im globalen Erholungsprozess quasi die
Schwerarbeit geleistet. Eine Abbremsung wird aber die etablierten
Märkte dann treffen, wenn das ohnehin nicht sehr robuste Wachstum in
ihren Volkswirtschaften schon wieder nachlässt. Insbesondere das
Erfordernis der Entschuldung der privaten und der öffentlichen
Haushalte in den USA und in europäischen Ländern wird auf die
Wachstumsraten drücken.

Angesichts der aktuell keineswegs niedrigen Bewertungen vieler
Assetklassen ist dies eine unerfreuliche Perspektive. So mag denn
auch der für seine pessimistischen Prognosen bekannte US-Ökonom
Nouriel Roubini nicht ganz falsch liegen, wenn er spätestens für die
zweite Jahreshälfte ein Ende der Rally an den Märkten voraussagt.

(Börsen-Zeitung, 23.1.2010)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
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