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Therapie nach Postleitzahl? / TK fordert Qualitätssicherung für Psychotherapie

Geschrieben am 03-02-2010

Hamburg (ots) - Das reparaturbedürftige Auto kommt in die
Werkstatt, wer es an den Zähnen hat, wendet sich an seinen Zahnarzt
und wer eine kranke Seele hat, sucht Hilfe bei einem
Psychotherapeuten. Doch anders als in der Werkstatt oder beim
Zahnarzt, gibt es beim Therapeuten keinen detaillierten
Kostenvoranschlag, der erklärt, was genau gemacht wird und auch kaum
Möglichkeiten, die Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Behandlungen zu
überprüfen. Doch wie kann man sicher sein, die richtige
therapeutische Unterstützung zu bekommen? Die Techniker Krankenkasse
(TK) kritisiert, dass viele psychisch kranke Patienten in Deutschland
nicht die Behandlung bekommen, die sie brauchen, sondern die, die der
Therapeut vor Ort gerade im Angebot hat. Sie fordert eine bessere
Qualitätssicherung für die Psychotherapie.

Wie wichtig eine solche Überprüfung wäre, zeigt eine Auswertung
der TK. Die Krankenkasse hat sämtliche Behandlungen ihrer an
Depression erkrankten Versicherten anonymisiert ausgewertet und kommt
zu teilweise erstaunlichen Ergebnissen: "Im Raum Dortmund wurden die
Patienten alle verhaltenstherapeutisch oder tiefenpsychologisch
behandelt, in und um München bekommt dagegen fast jeder Dritte eine
Psychoanalyse. Welche Therapie ein Patient bekommt, richtet sich also
offenbar nicht primär nach seiner Diagnose oder seinem persönlichen
Therapiebedarf, sondern danach, welche Therapeuten es vor Ort gibt
und welche Therapierichtung sie vertreten oder - vereinfacht
ausgedrückt - nach seiner Postleitzahl", erklärt Dr. Thomas Ruprecht,
der bei der TK für das Modellvorhaben "Qualitätsmonitoring in der
ambulanten Psychotherapie" verantwortlich ist. "Als Krankenkasse
fragen wir uns natürlich, ob in Süddeutschland viel mehr Patienten
eine Psychoanalyse benötigen als anderswo oder ob es im Ruhrgebiet
vielleicht Patienten gibt, die eine Psychoanalyse bräuchten, aber
nicht bekommen."

Auch der Umfang der Therapie ist laut TK weniger vom individuellen
Bedarf der Patienten als vielmehr von der maximal von der
Krankenkasse finanzierten Therapiestundenzahl abhängig.

Ob Patienten bei diesen Mechanismen und Anreizen die angemessene
Therapie erhalten, ist zumindest fragwürdig. Grundsätzlich besteht
bundesweit offenbar ein deutlicher Mangel an ambulanten
psychotherapeutischen Angeboten. Lange Therapiedauern und
Fehlsteuerungen in der Bedarfsplanung, zum Beispiel weil
Vollzeit-Praxissitze mit Teilzeit-Therapeuten besetzt sind, führen zu
künstlichen Kapazitätsengpässen und langen Wartezeiten. Vor allem bei
psychoanalytischen Therapien sind fehlgeleitete Zuteilungen besonders
unwirtschaftlich, weil es hier im Regelfall um sehr hohe
Stundenzahlen geht. "Dies hat zum Teil fatale Folgen für die
Patienten, die entweder aufgrund der langen Wartezeiten ohne
medizinische Unterstützung bleiben oder - und das betrifft vor allem
psychische Störungen, die mit teurem Medikamenteneinsatz verbunden
sind - in den stationären Bereich überwiesen werden", kritisiert
Ruprecht. "Was wir brauchen ist ein zeitnah erreichbares Angebot, das
sich an den Bedürfnissen der Patienten orientiert und auch eine
fundierte Qualitätsdarlegung ermöglicht."

Anders als in anderen medizinischen Bereichen gibt es keinerlei
Informationen darüber, wie oft es bei Psychotherapien zu
Komplikationen kommt und ob sie überhaupt den gewünschten Erfolg
bringen. In vielen anderen medizinischen Fachrichtungen gibt es
bereits Statistiken zu Behandlungsfehlern und freiwillige
Fehler-Meldesysteme. Patienten, die eine Fehlbehandlung vermuten,
können sich an die Schlichtungsstellen der Ärztekammern oder ihre
Krankenkasse wenden, um dem Verdacht nachzugehen. Nicht so in der
Psychotherapie. "Bei den psychotherapeutischen Behandlungsprotokollen
handelt es sich um subjektive Patienteninformationen. Die Therapeuten
sind nicht verpflichtet, diese herauszugeben", erklärt Gudrun Berger,
Expertin für Medizinrecht bei der TK, "Deshalb ist es so gut wie
unmöglich diesen Fällen nachzugehen."

Das Psychotherapie-Modellvorhaben der TK läuft seit 2005 mit 1700
Patienten und 400 Psychotherapeuten in Westfalen-Lippe, Hessen und
Südbaden und wird Anfang März dieses Jahres abgeschlossen sein. Dabei
kommt eine wissenschaftlich fundierte Qualitätsdiagnostik zum Einsatz
und die Erfahrungen der Patienten werden einbezogen: Kern des
Projekts sind wiederholte computergestützte Patientenbefragungen,
deren Ergebnisse umgehend an die Psychotherapeuten zurückgemeldet
wurden.

Mit diesem Modellvorhaben zielt die TK auf das seit 35 Jahren
nahezu unveränderte Gutachterverfahren in der Psychotherapie: Bislang
entscheidet ein externer Gutachter nach Aktenlage, ob eine
Psychotherapie nach sechs Eingangssitzungen fortgeführt werden kann
oder nicht - ohne den Patienten gesehen oder direkte Informationen
von ihm erhalten zu haben. Die Sichtweise der Patienten spielt also
keine Rolle. "Im Modellvorhaben kann der Patient mithilfe von
Patientenfragebögen die Fortschritte seiner Therapie bewerten und
bekommt dadurch mehr Mitspracherecht und Souveränität", erklärt
Ruprecht. Die Ergebnisse geben den Therapeuten wichtige Hinweise für
den weiteren Behandlungsplan. Sie sind zunächst nur dem Therapeuten
zugänglich, können aber dem Patienten gezeigt und mit ihm besprochen
werden. Dabei wird im Idealfall sichtbar, welche Therapieziele
erreicht wurden und welche nicht. Ein Jahr nach Ende der Therapie
findet jeweils eine abschließende Patientenbefragung statt. So konnte
in dem Modellvorhaben untersucht werden, wie nachhaltig das Ergebnis
ist und ob sich der Therapie-Erfolg stabilisiert hatte. Der
Abschlussbericht des Projekts wird voraussichtlich im Herbst 2010
vorliegen.

Hinweis für die Redaktionen:

Weitere Informationen rund um das Thema psychische Gesundheit
enthält die Februar-Ausgabe des TK-Medienservice. Die Ausgabe sowie
Bildmaterial zu allen Themen steht unter www.presse.tk-online.de zum
Download.

Originaltext: TK Techniker Krankenkasse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6910
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6910.rss2

Pressekontakt:
Michaela Hombrecher
Tel. 040 - 6909 -2223, Fax 040 - 6909 - 1353,
E-Mail: michaela.hombrecher@tk-online.de


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