(Registrieren)

Berliner Morgenpost: Macht der Staat mit, muss man sich nicht streiten - Leitartikel

Geschrieben am 18-02-2010

Berlin (ots) - Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Sieg der
Vernunft: In der Krise hat die IG Metall sich nicht nur sehr besonnen
verhalten, sondern erstmals darauf verzichtet, eine bezifferte
Lohnforderung zu stellen. Um Arbeitsplätze zu sichern, wich die
Gewerkschaft also sogar von wichtigen Ritualen ab. Die Arbeitgeber
sparten sich ihrerseits ebenfalls scharfe Töne und die üblichen
Anschuldigungen, und nach der Rekordzeit von nur einer Woche liegt
die Einigung vor, die nicht nur die Beschäftigungssicherung, sondern
auch die Lohnfrage regelt. Die Metaller bekommen über zwei Jahre eine
moderate Lohnerhöhung - aber sie zahlen gleichzeitig auch mit
Lohneinbußen für die Kurzarbeit, die weiterhin das entscheidende
Instrument zur Beschäftigungssicherung bleiben soll. Wichtige
Metallarbeitgeber wie Daimler, die weiter stark unter dem weltweiten
Nachfrageeinbruch nach deutschen Exportartikeln leiden, dürften sich
über das Ergebnis gefreut haben. Denn die Belastungen für sie halten
sich in Grenzen, und sie haben Planungssicherheit bis Mitte 2012.
Und dennoch hat die Geschichte einen Haken. Denn der Abschluss fällt
auch deshalb so gut für Daimler & Co. aus, weil ein anderer mitzahlt
- wenn alles so läuft, wie die Tarifpartner sich das vorstellen. In
Wahrheit saß bei den Metallern ein Dritter unsichtbar mit am Tisch:
der Staat. Er muss die gesetzliche und die tarifliche Kurzarbeit
fördern, verlangen die Tarifpartner. Sonst müsse das "Job-Paket"
wieder aufgeschnürt werden. Dass die Tarifpartner gemeinsam einen
Teil der Last abwälzen wollen, hat nicht unwesentlich zur raschen und
reibungslosen Einigung beigetragen. Um gemeinsam die Hand aufhalten
zu können, darf man sich schließlich nicht streiten.
Macht der Staat mit, kann man das ein informelles Bündnis für Arbeit
nennen. Und wenn die Konjunktur bald wieder nachhaltig anspringt,
könnte es sogar funktionieren. Aber die Frage ist doch: Würde es
nicht auch ohne den Staat gehen? Allein, dass die Arbeitgeber im
kommenden Jahr die Löhne um 2,7 Prozent erhöhen, spricht jedenfalls
dafür, dass es etwas zu verteilen gibt - und dagegen, dass der Staat
indirekt für eine Lohnerhöhung in der Metallindustrie zahlt.
Vereinbaren die Tarifpartner untereinander, Jobs über eine
Arbeitszeitverkürzung zu sichern, ist dagegen natürlich nichts zu
sagen. Das staatlich geförderte Instrument der Kurzarbeit sollte
hingegen auf die akute Krisenbekämpfung beschränkt bleiben. Wenn die
Förderung der Kurzarbeit durch die Entlastung der Arbeitgeber bei den
Sozialversicherungsbeiträgen Ende dieses Jahres planmäßig ausläuft,
dann müsste das eigentlich reichen. Dann hätten die Gewerkschaften,
die Arbeitgeber und die Politik bereits über zwei Jahre gemeinsames
Krisenmanagement betrieben.
Stimmt die Politik dem "Job-Paket" der Metaller zu, droht die
Förderung der Kurzarbeit zur Dauersubvention einer Branche zu werden.
Der unumgängliche Strukturwandel würde aufgehalten. Vor allem aber
dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Nächsten die Hand
aufhalten.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

252585

weitere Artikel:
  • Neue OZ: Kommentar zu Unternehmen / Daimler Osnabrück (ots) - Letzte Chance Nachdenklich, aber nicht so wortkarg wie im Vorjahr gab sich Daimler-Chef Dieter Zetsche gestern in Stuttgart. Obwohl er eine dunkelrote Bilanz zu verkünden hatte, zeigte er sich zusammen mit Finanzvorstand Bodo Uebber betont optimistisch. Woher die Manager allerdings den Gewinn für das laufende Jahr schon zu kennen glauben, ohne mit Umsatzzahlen aufwarten zu können, blieb ihr Geheimnis. Um überhaupt aus dem Tal herauszukommen, müssen der Konzernlenker und sein "ideales Team" kräftig aufs Gas treten. mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Arbeit / Gewerkschaften / Metall / Tarife Osnabrück (ots) - Vernunft gewinnt Erstaunlich, zu welch diplomatischen Leistungen so eine Wirtschaftskrise die Menschen bringen kann. Schon der Auftakt der Metall-Tarifverhandlungen hatte sich sehr vom Üblichen abgesetzt: keine Drohgebärden, keine Anfeindungen aus Prinzip - nur die Feststellung, dass die Lage eine besondere sei. Dieser Trend zur Vernunft sorgte für einen angenehm sachlichen Umgangston - und jetzt kann sich zudem der Abschluss sehen lassen. Er stellt völlig zu Recht die Sicherung von Arbeitsplätzen in den Vordergrund. mehr...

  • WAZ: Ferrostaal will Jobs schaffen und sucht Fachkräfte Essen (ots) - Nach dem Einstieg arabischer Investoren erwartet der Essener Anlagenbauer Ferrostaal einen deutlichen Zuwachs bei den Arbeitsplätzen. "In den kommenden Monaten bauen wir weitere Arbeitsplätze auf", sagte Ferrostaal-Vorstandschef Matthias Mitscherlich den Zeitungen der Essener WAZ-Gruppe (Freitagausgabe). "Die Zahl der derzeit 5700 Stellen in aller Welt wird sich durch unsere Wachstumsstrategie weiter erhöhen. Wir stellen derzeit ganz gezielt qualifizierte Menschen ein. Auch alle Auszubildenden haben wir übernommen", erklärte mehr...

  • Kölnische Rundschau: zu Tarifeinigung Metall Köln (ots) - Geräuschlos und schnell ging die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie zu Ende. Zwei Monate vor Auslaufen des alten Vertragswerks und nach nur zwei Verhandlungsrunden können die Tarifparteien in NRW ein Pilot-Ergebnis präsentieren, das sich sehen lassen kann. Steuerte die Branche bislang schon dank betriebsinterner Flexibilität wie Arbeitszeitkonten, betrieblichen Bündnissen, Öffnungsklauseln und der Kurzarbeit einigermaßen sicher durch die Wirtschaftskrise, so demonstrieren Arbeitgeber und IG Metall jetzt eindrucksvoll, mehr...

  • WAZ: Regierung verbilligt Kurzarbeit für Arbeitgeber Essen (ots) - Die Bundesregierung hat die Regelungen der Kurzarbeit für Arbeitgeber auf dem kleinen Dienstweg verbessert. Sie werden für die Dauer der Kurzarbeit auch von Weihnachts- und Urlaubsgeld befreit, das sie bislang in voller Höhe zahlen mussten. Wie die Zeitungen der WAZ-Gruppe (Freitagausgaben) aus dem Bundesarbeitsministerium erfuhren, wurde diese Forderung der Metallbranche als Hilfe für ihr Beschäftigungspaket vom Ministerium bereits "geprüft und bewilligt". Im Jobpaket des jüngsten Tarifabschlusses der Metall- und Elektroindustrie mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht