Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 25. Februar 2010 den Rücktritt der EKD-Vorsitzenden Margot Käßmann:
Geschrieben am 24-02-2010 |
Bremen (ots) - Moral und Maßstab von Joerg Helge Wagner Ihr Schritt ist ebenso ehrenwert wie unvermeidlich gewesen: Margot Käßmann hat ihre eigenen Maßstäbe an sich selbst angelegt und die entsprechende Konsequenz gezogen. Man stelle sich vor, ein Verfassungsrichter wäre mit 1,5 Promille über eine rote Ampel gebrettert - selbstverständlich hätte jeder den sofortigen Rücktritt erwartet. Und genau nach dieser moralischen Fallhöhe muss man auch den Fall Käßmann bemessen. Die Bischöfin hat als oberste Vertreterin von 25 Millionen Gläubigen erkannt, was zu tun ist - viel klarer als ihre EKD-Ratskollegen, die sie aus falsch verstandener Solidarität vom Rücktritt abhalten wollten. Wäre Margot Käßmann Vorsitzende geblieben, hätte dies die Evangelische Kirche in Deutschland als moralische Instanz geschwächt. Ihre Stellungnahmen zu politischen, sozialen, ethischen Fragen wären nicht mehr auf so viel Gehör gestoßen oder - schlimmer noch - aus Wissen um die eigene Fehlbarkeit gleich ganz unterblieben. Diesen Schaden hat Bischöfin Käßmann von ihrer Kirche abgewendet. Das Bedauern über ihren Rücktritt ist verständlich. Und es ist bezeichnend, dass es auch von Menschen geäußert wird, die ihre Ansichten nicht (immer) teilten. Käßmanns Einlassungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr etwa haben dafür gesorgt, dass endlich auch breitere Schichten unserer Gesellschaft diesen Krieg wahrnehmen. Er wird nun nicht mehr als fernes Ereignis betrachtet, das hier bloß einige Tausend Betroffene zu interessieren hat. Das ist gut so. Aber kirchliche Würdenträger haben eine Vorbildfunktion. Käßmann hat aus einer allzu menschlichen Verfehlung schnell und hart gegen sich selbst die Konsequenz gezogen. Das ist vorbildlich. Ganz anders ist der Umgang ihres katholischen Pendants mit Verfehlungen, bei denen - im Gegensatz zu Käßmanns Trunkenheitsfahrt - etliche junge Menschen zu erheblichem Schaden gekommen sind. Die Auseinandersetzung, die sich Erzbischof Robert Zollitsch als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz gerade mit der Bundesjustizministerin liefert, ist nicht gerade ein Ausweis an Bußfertigkeit. Genau die wäre aber angebracht angesichts des ungeheuren Missbrauchsskandals - natürlich nicht persönlich, aber seitens der Institution. Man muss nicht gleich Papst Benedikt XVI. "Mea Culpa" für die Verbrechen an den Juden bemühen - aber ein wenig von dieser Haltung schuldet der Erzbischof den Missbrauchsopfern. Stattdessen aber wird darum gerechtet, vor wie vielen Jahre sich die nun endlich aufgedeckten Missbrauchsfälle ereignet hätten - dabei belegt diese unwürdige Diskussion die jahrelange Vertuschung ja nur noch einmal. Natürlich sind die Fälle Käßmann und Missbrauch nicht unmittelbar miteinander vergleichbar. Aber der Umgang mit ihnen macht schon deutlich, wer ein ausreichendes Gespür für moralische Maßstäbe hat.
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