Mindener Tageblatt: Kommentar zu Karadzic vor UN-Kriegsverbecher-Tribunal / Verhöhnung der Opfer
Geschrieben am 01-03-2010 |
Minden (ots) - Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen bekanntlich langsam. Besonders gilt dies vor dem UN-Tribunal zur Ahndung der zahlreichen Verbrechen in den Balkan-Kriegen, die vor 20 Jahren dem Einsturz des Eisernen Vorhangs folgten. Noch immer sind nicht alle mutmaßlichen Haupttäter dingfest gemacht; so fehlt bis heute mit Serben-General Mladic einer der für zahlreiche Schlächtereien an bosnischen Muslims mutmaßlich Hauptverantwortliche in den Haftzellen des Gerichts. Sein Kumpan Radovan Karadciz hatte sich ebenfalls lange Zeit den nicht sonderlich intensiven Versuchen entziehen können, seiner habhaft zu werden. Dann aber fiel er doch wohl einer kurzzeitigen Nutzenkalkulation der um Annäherung an Europa bemühten serbischen Regierung zum Opfer, wurde festgenommen und ausgeliefert. Dass er das Tribunal zur großen Show des vom Westen verratenen, von Nato, allen nichtserbischen Bosniern und dem Rest der feindlichen Welt perfide zur Notwehr gezwungenen serbischen Volkes machen würde, war abzusehen. Sein gestriger Auftritt zielte vom ersten bis zum letzten bewusst auf serbokroatisch vorgetragenen Satz auf die Bildschirme in der Heimat, wo ihn ebenso wie Mladic noch immer viele als Helden stilisieren. Ob man Karadzic die konkrete Verantwortung für all die scheußlichen Verbrechen, die Massaker, Vergewaltigungen und "ethnischen Säuberungen" tatsächlich wird nachweisen können, steht trotz des von der Anklage präsentierten umfangreichen Belastungsmaterials dahin. Karadzic und seine Spießgesellen ebenso wie die unbelehrbaren Nationalisten daheim akzeptieren es ohnehin nicht - alles "fabriziert". Gleichwohl ist es richtig, dass der Prozess stattfindet, schon der Opfer wegen. Für deren Angehörige und Hinterbliebene aber muss es schwer erträglich sein, auch noch verhöhnt zu werden. Sie müssen sich mit dem Gedanken trösten, dass nur diese Form der Gerechtigkeit, die Karadzic derzeit zuteilwird, ihren immer noch von Hass zerfressenen Ländern eine Zukunftsperspektive zu öffnen vermag.
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Pressekontakt: Mindener Tageblatt Christoph Pepper Telefon: (0571) 882-/-248 chp@mt-online.de
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