Westfalenpost: Mit Beißhemmung
Geschrieben am 02-03-2010 |
Hagen (ots) - Das Urteil zur Datenspeicherung Von Winfried Dolderer Man kann sich mittlerweile darauf verlassen, auf diesen Masochismus der Berliner Politik: Immer, wenn ihnen das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz um die Ohren haut, brechen die dafür Verantwortlichen in reines Entzücken und Dankbarkeit aus. Gestern war dieses Phänomen besonders augenfällig bei der SPD, die es als "wesentliche Stärkung der Bürgerrechte" feiert, dass die Karlsruher Richter ein von einer SPD-Justizministerin fabriziertes Paragraphenwerk in die Tonne treten. Sie setzen damit eine Rechtsprechung fort, mit der sie in den vergangenen Jahren zu wiederholten Malen den überschießenden Eifer der Sicherheitspolitiker mit mehr Nachdruck oder weniger korrigierten. Man denke an die Urteile zu Online-Durchsuchung, Flugsicherheit, Großem Lauschangriff. Wie viel von unserer Freiheit und von unserem Recht, vom Staat unbehelligt zu bleiben, möchten wir uns unsere Sicherheit kosten lassen, ist ja die Frage, die sich seit dem 11. September als roter Faden durch die innenpolitische Debatte zieht, keineswegs nur in Deutschland: Manche Bürger würden vielleicht im Zweifel für die Sicherheit optieren. Das Verfassungsgericht findet sich zuverlässig auf der Seite der Freiheit. Dabei weicht gleichwohl das gestrige Urteil in einem Punkt von der bisherigen Linie ab. Erstmals verzichten die Richter darauf, eine umfassende Datenspeicherung ohne konkreten Anlass für prinzipiell verfassungswidrig zu erklären. Dies aus Rücksicht auf die EU, deren Richtlinie die Bundesregierung mit dem verworfenen Gesetz gefolgt ist. So gesehen ein Urteil mit Beißhemmung.
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