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WAZ: Zum Weltfrauentag Heidis Freakshow und der Feminismus - Leitartikel von Andreas Fettig

Geschrieben am 05-03-2010

Essen (ots) - Es wird wieder der übliche TV-Quotenhit werden:
Junge Frauen lassen sich von Heidi Klum in den inszenierten
Zickenkrieg hetzen - beseelt von der Hoffnung, künftig als wandelnder
Kleiderständer die Laufstege der Welt zu schmücken. Dass sich für
dieses zweifelhafte Ziel wieder Tausende für "Germany's next
Topmodel" beworben haben, sagt einiges über den Stand der
Emanzipationsbewegung aus. Die Bestandsaufnahme zum Weltfrauentag
fällt von daher zwiespältig aus. Heidis Freakshow ist die eine
Parallelwelt. In der anderen regiert eine CDU-Kanzlerin, die in
Sachen Gleichberechtigung ähnliche Positionen vertritt wie die
einstigen Radikal-Emanze, Alice Schwarzer. Die Universitäten sind
längst eine mehrheitlich weibliche Veranstaltung, sogar die
Chefsessel von Großkonzernen sind keine Männerbastion mehr.
Alles gut also - die politischen Forderungen nach Gleichberechtigung
scheinen erfüllt zu sein. Der radikale Emanzipationsansatz der
70er-Jahre, der davon ausging, dass alle Frauen durch die
herrschenden Gesellschaftsstrukturen unterdrückt werden, der hat also
ausgedient, und die Debatte hat sich verlagert: Heute geht es um den
täglichen Praxistest der Gleichberechtigung. Dazu gehören die
Rahmenbedingungen, die Frauen ermöglichen, ihr Recht auf einen
individuellen Lebensentwurf umzusetzen. Und da sind Elternzeit,
Krippenplätze oder Betriebskindergärten sehr viel wichtiger als eine
politische Frauenbeauftragte. Da sind Personalchefs gefragt, die
tatsächlich nach Qualifikation bewerten, da ist der Lebenspartner
gefragt, der Wäsche bügelt und sich um die Kinder kümmert - und da
sind vor allen Dingen die Frauen selbst gefragt.
Das gesellschaftliche Umfeld hat sich zu Gunsten der Frau verändert:
Rollenklischees à la KinderKircheKüche haben ausgedient - die Frauen
von heute haben die Wahl, wie sie ihr Leben gestalten. Sie haben
sogar die Wahl, sich selbst für dumm zu verkaufen. Und da sind wir
wieder bei Heidi Klum und dem Großtrend, mit Oberweite und
Schmollmund Karriere machen zu wollen. All die Veronas, Sonyas,
Lillys, Gülcans, verkünden vordergründig: Wir bekennen uns zu unserer
weiblichen Seite und zu unserem Körper - und das als bewusste Abkehr
von den eher spröden Protagonistinnen der politischen Emanzipation.
Tatsächlich repräsentieren sie das archaische Vermarktungsmodell
namens Sex sells - an dem viele Kerle und Heidi Klum verdienen. Die
mag eine gute Verkäuferin in eigener Sache sein. Als Vorbild taugen
aber weder die Zynikerin noch ihre Zicken. Die Parole moderner Frauen
muss heute heißen: Ihr könnt alles schaffen - aber Ihr müsst Euch
trauen und dafür kämpfen! Und dazu braucht es in erster Linie Bildung
und Intelligenz und nicht Körbchengröße 100 DD.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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