Rheinische Post: Leon de Winter: Moralischer Bankrott Grass'
Geschrieben am 15-08-2006 |
Düsseldorf (ots) - Der niederländische Bestseller-Autor Leon de Winter hat entsetzt auf Günter Grass' Verschweigen seiner Vergangenheit reagiert. "Wenn eine moralische Autorität eine derart essentielle Information verschweigt, ist sie selbst verantwortlich für ihren moralischen Bankrott", sagte de Winter der "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). Er sei "sehr überrascht, erstaunt und auch entsetzt" über das späte Bekenntnis Grass'. De Winter ist Sohn niederländischer Juden, die den Holocaust in einem Versteck überlebten. Grass' Verhalten in Jugendzeiten beurteilte de Winter vorsichtig: "Natürlich war es verwerflich, dass er in der SS war. Aber er war ungeheuer jung, und ich finde, dass seine Jugend ein absolut mildernder Umstand war", sagte de Winter. Doch er verstehe nicht, dass jemand in Grass' Position, "mit seiner Intelligenz, mit seinem großen Empfindungsvermögen nicht kurz nach dem Zweiten Weltkrieg den Mut gehabt hat, dies zu offenbaren". Andere Autoren hätten dies getan. Der Niederländer warf die Frage auf, ob Grass ein Autor minderen Ranges geworden wäre, wenn er die Information über seine Vergangenheit früh preisgegeben hätte. "Die verborgene Vergangenheit war für ihn eine ständige Quelle der Scham. Und es fragt sich, ob die nicht wiederum eine Quelle seiner Kreativität war." Zur literarischen Qualität der Werke Grass hält de Winter fest: "Die Blechtrommel wird für immer und ewig strahlen."
Originaltext: Rheinische Post Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=30621 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_30621.rss2
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