Sicherheitsmängel im AKW Brunsbüttel gravierender als in Forsmark
Geschrieben am 16-08-2006 |
Berlin (ots) -
- Querverweis: Ein Dokument liegt in der digitalen Pressemappe zum Download vor und ist unter http://www.presseportal.de/dokumente abrufbar -
Seit Jahren fordern Experten vergeblich die Anpassung der mangelhaften Notstromversorgung des Atomkraftwerks Brunsbüttel an moderne Standards - Die Betreiber Vattenfall und Eon verweigern die Nachrüstung und fordern gleichzeitig eine Laufzeitverlängerung - Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht nach dem Forsmark Störfall interne Einzelheiten und verlangt vorzeitige Stilllegung des Atomkraftwerks oder eine grundlegende Nachrüstung bis zur regulären Abschaltung entsprechend dem Atomausstiegsgesetz
16. August 2006: Unter allen deutschen Atomkraftwerken verfügt der Siedewasserreaktor Brunsbüttel über das gegen Betriebsstörungen anfälligste Sicherheitsleitsystem. Die Notstromversorgung ist auf Betriebsstörungen schlechter vorbereitet als der schwedische Reaktor in Forsmark, in dem sich am 25. Juli ein schwerer Störfall ereignete. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nach dem intensiven Studium zahlreicher interner Unterlagen der Reaktorsicherheitskommission der Bundesregierung, der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln, von Technikern des Kraftwerks und der schleswig-holsteinischen Aufsichtsbehörde hingewiesen.
Aus Protokollen und Sachverständigen-Gutachten geht hervor, dass die deutschen Aufsichtsbehören die Brunsbrüttel-Betreiber Vattenfall und Eon seit 2002 vergeblich zu einer grundlegenden Modernisierung der Notstromversorgung des Reaktors gedrängt haben. Auslöser waren gravierende Mängel in der Sicherheitsleittechnik des Reaktors, die erst im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme eines neuen Simulators zur Schulung der Betriebsmannschaften erkannt wurden und die zuvor über Jahrzehnte niemand bemerkt hatte. Daraus ergab sich, dass schwere Störfälle wie jetzt in Forsmark von der komplexen und defizitären Sicherheitselektrik in Brunsbüttel möglicherweise nicht hätten bewältigt werden können.
"Die Behauptung der Betreiber, ein Störfall wie in Schweden sei in deutschen Reaktoren nicht möglich, ist definitiv falsch", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Möglicherweise würde er im Detail anders ablaufen als in Forsmark, aber auf kritische Störfall-Situationen ist der Brunsbüttel-Reaktor erkennbar schlechter vorbereitet als der in Forsmark".
Über die "Planungsfehler in der Notstromversorgung und der Steuerung mehrerer Aggregate in den Not- und Nachkühleinrichtungen" (so der Titel einer GRS-Ausarbeitung) hatten sich Kraftwerkstechniker während der Abnahmetests für den Simulator per Fax ausgetauscht. Die Faxe, die der DUH vorliegen, geben einen Eindruck vom Ausmaß der Verwirrung, die über die über Jahrzehnte unentdeckten Mängel und Unstimmigkeiten herrschten. Die GRS stellt in einer unveröffentlichten Analyse fest, dass "die in Brunsbüttel gefundenen Fehler sowohl bei Störfällen innerhalb der Auslegung als auch bei auslegungsüberschreitenden Ereignissen und bei weiteren zusätzlich zu unterstellenden Fehlern teilweise zu hohen Unverfügbarkeiten im Sicherheitssystem hätten führen können und so die Beherrschung der Ereignisse gefährdet hätten. Es hat sich zudem herausgestellt, dass die zum Teil vor über 20 Jahren vorgenommenen Inbetriebnahmeprüfungen verborgene Fehler in den komplexen Systemen nicht immer aufgezeigt hatten."
Nachdem sich das für die Atomaufsicht zuständige Kieler Sozialministerium, mehrere Gutachterorganisationen (TÜV Nord, Energiesysteme Nord in Kiel, GRS) und die Reaktorsicherheitskommission (RSK) der Bundesregierung in den Jahren 2002/2003 über Monate in zahlreichen Sitzungen mit den aufgedeckten Defiziten in der Sicherheitselektrik des Siedewasserreaktors befasst hatten, durfte der Meiler nach einigen Änderungen im Detail wieder ans Netz, obwohl sich alle Experten einig waren, dass die grundsätzlichen Probleme nicht gelöst waren. Der RSK-Fachausschuss ´Elektrische Einrichtungen´ kam "zu dem Ergebnis, dass auch nach Herstellung des Soll-Zustandes (Erfüllung der sicherheitstechnischen Anforderungen) ein Anlagenkonzept im KKB vorliegt, welches hinsichtlich einiger Auslegungsmerkmale, z. B. Abstimmung des Schaltkonzeptes zwischen Verfahrenstechnik und Energieversorgung, Unabhängigkeit der Teilsysteme und Einfachheit der Leittechnikfunktionen, nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht." Nicht einmal eine - theoretisch mögliche - Nachrüstung mit modernster Leittechnik, urteilte die RSK abschließend, könne die Sicherheitsdefizite heilen, weil "dies die Defizite im Anlagenkonzept hinsichtlich des Aufbaus der Notstromversorgung nicht ausgleicht."
"Selbst dieses vernichtende Urteil hat nicht verhindern können, dass der Reaktor Brunsbüttel im März 2003 wieder in Betrieb genommen wurde", sagte Gerd Rosenkranz, der Leiter Politik der DUH. Rosenkranz berichtete, dass über die Übertragbarkeit der Abläufe in Forsmark und Brunsbüttel im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung auch intern noch kein endgültiges Urteil vorliege. Zwar hätten die Gutachter der Kieler Aufsichtsbehörde in der vergangenen Woche gegenüber Bundesumweltminister Gabriel für die Kraftwerke Brokdorf und Krümmel Entwarnung gegeben, nicht aber für Brunsbüttel. Dazu habe bis Dienstag dieser Woche eine Stellungnahme des TÜV Nord noch ausgestanden. Die Betreiber selbst hätten bezüglich eines offenen Punktes ("Auswirkungen zeitgleicher Ausfälle von redundanten Wechselrichtern oder Umschaltvorgängen auf das unterbrechungsbehaftete Netz") erklärt, die Beantwortung sei "wegen der Kürze der Bearbeitungszeit noch nicht möglich." Rosenkranz: "Das ist eine erstaunliche Einlassung, nachdem nach bisheriger offizieller Lesart Wechselrichter für die Sicherheit in deutschen Atomkraftwerken gar keine Rolle spielen."
Resch forderte die Reaktorbetreiber Vattenfall und E.on auf, "die Diskussion über eine Laufzeitverlängerung für Brunsbüttel und andere Altreaktoren in Deutschland sofort einzustellen. Das Kraftwerk Brunsbüttel ist auf Störfälle schlechter vorbereitet als der Pannenreaktor in Schweden. Die Alternative kann nur sein: Umfangreiche Nachrüstung und Stilllegung entsprechend der Vereinbarung zum Atomausstieg oder vorzeitige Abschaltung des Siedewasserreaktors." Bei normaler Auslastung muss der Brunsbüttel-Reaktor entsprechend der Atomausstiegsvereinbarung im Jahr 2009 abgeschaltet werden.
Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V. Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=22521 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_22521.rss2
Für Rückfragen: Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19, E-Mail: resch@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
25787
weitere Artikel:
- NDR Online im Internet mit allen Informationen zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern Hamburg (ots) - Ab sofort informiert der NDR im Internet umfassend über die bevorstehende Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 17. September. Unter www.ndr.de/wahl finden sich z. B. ausführliche Porträts von Harald Ringstorff (SPD) und seines Herausforderers von der CDU, Jürgen Seidel. Internet-Nutzer können sich über die Bewerber in den einzelnen Wahlkreisen informieren. NDR Online stellt alle Kandidaten der zur Landtagswahl antretenden Parteien vor. Ein ausführliches Wahl-ABC erklärt, was man als Wähler wissen und beachten sollte. mehr...
- Libanon Malteser: Hilfe für die Rückkehrer/ Internationales Team startet Freitag Köln/Beirut (ots) - Am Freitag startet ein vierköpfiges internationales Erkundungsteam der Malteser in den Libanon. "Ziel ist es, den Wiederaufbau der Gesundheitseinrichtungen zu unterstützen und den Menschen, die jetzt in den Südlibanon zurückkehren, zu helfen", so Ingo Radtke, Leiter von Malteser International, der das Team leiten wird. "Es fehlt an Medikamenten für die Grundversorgung. Mindestens 20 Prozent der libanesischen Bevölkerung sind unterwegs und brauchen Hilfe bei der Rückkehr, bei der Versorgung mit Lebensmitteln und dann mehr...
- Welt-AIDS-Konferenz: Kinder haben viel zu sagen Kinderhilfswerk Plan International präsentiert Projekterfahrungen Hamburg (ots) - Hamburg, 16. August 2006 - Das Kinderhilfswerk Plan International berichtet auf der Internationalen AIDS-Konferenz im kanadischen Toronto über seine Erfahrungen im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit und ihre gesellschaftlichen Folgen. Auf dem Treffen unter dem Motto "Time to Deliver - Zeit zum Handeln" ist Plan mit einer Delegation von Erwachsenen und Jugendlichen vertreten. In dem Plan-Jugendforum "In Our Name" stellen Mädchen und Jungen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Kanada Praxisbeispiele aus ihren Heimatländern mehr...
- Singhammer: Deutschland braucht eine bevölkerungsorientierte Politik Berlin (ots) - Anlässlich der gestern veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Bevölkerungsrückgang in Deutschland, erklärt der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer MdB: Das dynamische Aussterben der Deutschen nimmt an Dramatik zu: 2005 wurden 686.000 Kinder geboren, 2,8 % weniger als im Jahr zuvor. Damit liegen wir erstmals seit 1946 unter der Marke von 700.000. Konkret bedeutet das: Deutschland hat im letzten Jahr 63.000 Einwohner allein durch den Geburtenrückgang verloren. mehr...
- Hamburger Verfassungsschutz-Vize: "home-grown"-Terroristen in Deutschland eher unwahrscheinlich Hamburg (ots) - Der stellvertretende Leiter des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, Manfred Murck, glaubt, dass von sogenannten "home-grown"-Terroristen in Deutschland ein geringeres Risiko ausgehe als in Großbritannien. Deutschland sei eher von wandernden islamischen Extremisten, den "Dschihadisten", bedroht als von Attentätern aus der Mitte der Gesellschaft. "Das stärkste Gefährdungspotenzial wird nicht aus den langansässigen Migrantenkulturen gespeist", sagt Murck in der ZEIT, "sondern aus einem sehr heterogenen Spektrum von mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|