Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) über die Leipziger Buchmesse
Geschrieben am 21-03-2010 |
Bielefeld (ots) - Leipzig hat es leichter als Frankfurt. Zur Buchmesse in der Mainmetropole ritten die Medien scharfe Attacken gegen die Verantwortlichen, weil die vor China einknickten und Regimekritiker ins Leere laufen ließen. Skandal!, rief das Feuilleton. Zu einem Skandal hat es in Leipzig nicht gereicht, aber eine schöne Affäre wäre es doch geworden. Nur ist eben Schwerin nicht China, und so blieb die Peinlichkeit unter der Decke: Zu den Kandidaten für den Leipziger Buchpreis zählte anfangs auch der Schweriner Autor Norbert Leithold, der ein fulminantes Sachbuch über den Grafen Goertz geschrieben hat, über jenen Diplomaten, der an Goethes Frühstückstafel dem Weimarer Prinzen Carl August die Welt erklärte. Leithold wurde dann mit der Begründung von der Liste gestrichen, er schmücke sich in seinem Lebenslauf mit einem Preis, den aber - die Leipziger Jury rühmt sich eifriger Recherchen - ein gewisser Norbert Bleisch erhielt. Das ist korrekt. Man setzt sich keinen fremden Lorbeerkranz auf. Leider aber sind Herr Bleisch und Herr Leithold identisch, und wenn derart fundamentale Dinge unentdeckt bleiben, taugt die schönste Recherche nichts. Aber blieben die Dinge überhaupt unentdeckt? Wohl kaum. Die Leipziger Jury fürchtete sich vor etwas ganz anderem: Bleisch hat einen islamkritischen, politisch also nicht korrekten Kurzroman geschrieben, eine dürftige Fingerübung, die unter dem Titel »2040« im Internet kursiert. Außerdem aber - und hier wird's dann unappetitlich - drehte er Pornos mit Minderjährigen, wofür ihn die Schweriner Justiz zweieinhalb Jahre ins Gefängnis schickte. Zum Glück für die Jury schwieg das Feuilleton. Das ging gerade noch mal gut. Auf den Tritt ins zweite Fettnäpfchen wiederum lauerte die literarische Welt vergeblich: Helene Hegemann bekam den Buchpreis nicht. Die junge Dame, die diverse Passagen in »Axolotl Roadkill« erstens abgeschrieben, zweitens bei einem schlechten Autor abgeschrieben, drittens den hanebüchenen Unsinn nicht selbst erlebt und ihn viertens in dürftiges Deutsch gekleidet hatte, wurde zwar nominiert, aber dann verließ die Jury doch die Traute. Die Jurypräsidentin Verena Auffermann maulte zwar, sie lasse sich nicht unter Druck setzen, aber gegen Gegner von solchem Format hatte sie keine Chance: Seriöse Schriftsteller wie Günter Grass, Christa Wolf und Erich Loest hatten in der »Leipziger Erklärung« Plagiate im Stile Hegemanns als das bezeichnet, was sie sind - als geistigen Diebstahl. Das wurde, wie so vieles, einfach weggelächelt, und so wird die Leipziger Buchmesse als Fest der Harmonie in Erinnerung bleiben. Viele Kinder kamen, obwohl das klassische Kinderbuch einen langsamen Tod stirbt. E-Books wurden gut versteckt, denn wenn ich das digitale Gespenst nicht sehe, existiert es nicht. Und aus dem Bundestag ist zu hören, man wolle das Urheberrecht stärken. Alles wird gut.
Originaltext: Westfalen-Blatt Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
258359
weitere Artikel:
- Neue OZ: Kommentar zu Literatur / Buchmesse Osnabrück (ots) - Geliebtes Papier Mit einem Lesefest und ohne reine Fachbesucher-Tage ist Leipzig die Messe des Publikums. Ihr Erfolg kann als Gradmesser für das Leseverhalten gewertet werden. Und in diesem Jahr kommen ermutigende Botschaften aus der Messestadt. Nummer eins: Die Leser werden nicht weniger, sondern mehr. Das allein ist ein Grund zur Freude - selbst wenn man in Rechnung stellt, dass sich auch hier die gestiegene Sogkraft von Großveranstaltungen abbildet. Nummer zwei: Die Leute wollen immer noch echte Bücher in der mehr...
- SWR trauert um Erwin Lehn Früherer Leiter des Südfunktanzorchesters mit 90 Jahren gestorben Stuttgart (ots) - Stuttgart. Der Gründer und langjährige Leiter des Südfunktanzorchesters, Professor Erwin Lehn, ist am Samstag, 20. März 2010, nach langer schwerer Krankheit im Alter von 90 Jahren in Stuttgart gestorben. Der Intendant des Südwestrundfunks (SWR) würdigte Lehn als Musiker von Weltruhm. Boudgoust: "Mit dem Tod von Erwin Lehn verliert Deutschland einen seiner ganz großen Big-Band-Leader. Als 'The German Jazz Hurricane' entwickelte er im Auftrag des damaligen SDR schon früh den ureigenen Sound seines Südfunktanzorchesters mehr...
- Frankfurter Neue Presse: zum Tode von Wolfgang Wagner. Bayreuth: Das deutsche Fantasialand. Leitartikel von Michael Kluger Frankfurt am Main (ots) - Seit mehr als einem Jahrhundert herrscht der Wagner-Clan über das fränkische Neverland. Die wohl berühmteste und berüchtigtste deutsche Dynastie überstand zwei Weltkriege, die Nazi-Diktatur und hat mit Neubayreuth nach 1945 schließlich den Anschluss an die demokratische Gesellschaft gefunden. (...) Mochte man den beharrlichen Aussitzer belächeln oder bekritteln, Wolfgang Wagner hat das Erbe verlässlich durch die Zeiten gewuchtet. Noch immer stehen die Festspiele wie ein großartiger, urzeitlicher Findling in mehr...
- WAZ: Die besten Mau Mau-Sprüche. Kommentar von Jens Dirksen Essen (ots) - Der kürzeste Buchtitel ist immer der beste, lautet eine alte Verlegerweisheit. Und wer doch einen langen Buchtitel wählt, sollte die größte Sorgfalt walten lassen. Das ist bei einem Band aus dem Carlsen Verlag offenbar nicht geschehen: "Mau Mau ist was für Tunten - die besten Pokersprüche" erregt nun jedenfalls, man ahnt es, das Missfallen des Deutschen Mau Mau Verbands. Der lässt nun seinen Verbandsspielleiter Rudolf Pollinger eine Stellung zu dem völlig unüberlegten Buchtitel nehmen: "Ich als Privatperson, aber auch mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Musik / Festspiele Osnabrück (ots) - Flexible Formen Die Welt ist kurzlebiger geworden, auch die der Kunst. So wie es keine lebenslangen Ehen zwischen Orchestern und Dirigenten mehr gibt, war auch Theaterpatriarch Wolfgang Wagner ein Wesen einer vergangenen Epoche. Das ist ein Verlust, den man betrauern darf: Denn die unbedingte Identifikation, mit der Wagner die Bayreuther Festspiele zu seinem Lebensinhalt machte, existiert kaum noch. Doch die Zehnerjahre des 21. Jahrhunderts stellen andere Anforderungen an jeden Einzelnen, an die Kunst und an die mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Alles rund um die Kultur
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
Pinocchio erreicht Gold in Deutschland mit Top-3-Hit "Klick Klack" - "Mein Album!" erscheint am heutigen Tag - Neue Single "Pinocchio in Moskau (Kalinka)" folgt am 17. März
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|