WAZ: Unser Projekt Nordrhein-Westfalen
- Kommentar von Ulrich Reitz
Geschrieben am 18-08-2006 |
Essen (ots) - Der Bayer ist Bayer nur außerhalb Bayerns. Ansonsten gönnt sich der Bayer die Vorsilbe nieder- oder ober-, worin mehr mitschwingt als Geografie, denn beide nehmen für sich in Anspruch, die eigentlichen Bayern zu sein. Einig sind sie wiederum darin, herabzuschauen auf den Franken, der sich wiederum selber einteilt in Unter- und Oberfranke, wobei sich der eine wie der andere für etwas Besseres hält.
Nun, da also der Bayer als Mythos entlarvt ist, kann man sich entspannter dem Nordrhein-Westfalen zuwenden. Denn wenn es den Bayern an sich nicht gibt, fällt die Diagnose, mit dem Nordrhein- Westfalen könnte es ähnlich sein, nicht mehr so schmerzhaft aus. Der Gelsenkirchener, in New York gefragt, woher er denn komme, wird antworten: You know Schalke?, kaum aber, er sei Nordrhein-Westfale.
Mit der Identität ist das so eine Sache, vor allem, wenn sie sich nicht aus der Herkunft bestimmen lässt. Nordrhein-Westfalen ist eine fremdbestimmte Heimat. Deshalb sagen Identitätssucher oder -stifter nicht: Wir Nordrhein-Westfalen, sondern: Wir in Nordrhein-Westfalen. Will sagen: Das, was wir mit diesem NRW machen, ist ausschlaggebender als das, was NRW mit uns macht.
NRW ist nicht fertig, sondern ein Projekt. Unser Projekt. Das was wir aus Nordrhein-Westfalen machen, ist Nordrhein-Westfalen. Wobei wir heute auf das bauen können, was schon ist: eine ausgesprochen soziale Tradition (was Finanzminister noch stets hat stöhnen lassen), große Erfahrung mit der Integration anderer Menschen. Die Leistung, größere Probleme als andere gehabt, aber gemeinschaftlich eben auch (so gut wie) gelöst zu haben. Insgesamt genug für Selbstbewusstsein, das sich nicht aus der Abgrenzung zu anderen definiert.
Wir müssen niemandem etwas wegnehmen. Wir können Rheinländer (et kütt, wie et kütt) bleiben. Oder Westfalen (wir kommen langsam, vielleicht gewaltig). Oder, als landsmannschaftlich die Jüngsten, Ruhrgebietler (das, von dem wir nichts verstehen, gibt es nicht). Darunter ist reichlich Raum für den Wattenscheider, Kettwiger und andere liebenswerte Eigentümlichkeiten.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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