WAZ: Umdenken ist zwingend geboten
- Kommentar von Hendrik Groth
Geschrieben am 20-08-2006 |
Essen (ots) - Deutsche Soldaten patrouillieren in Afghanistan und vor der somalischen Küste. Deutsche Sicherheitsexperten bilden irakische Polizisten aus. Obwohl nicht offiziell am Irak-Krieg beteiligt, erfüllt die Bundesrepublik diverse Bündnisverpflichtungen gegenüber den USA. Im Nahost-Konflikt steht Berlin fest an Israels Seite. Über einen militärischen Einsatz der Bundeswehr im Libanon wird diskutiert. Kurzum: Deutschland befindet sich nicht irgendwo und irgendwie in einem macht- oder weltpolitischen Nirvana, Deutschland ist eindeutig und gewollt Partei, somit also auch eindeutig ein mögliches Anschlagziel.
Was für Großbritannien oder Spanien gilt, gilt auch für Deutschland. Wenn Bundesinnenminister Schäuble die Bedrohung als ungewöhnlich ernst und so nah wie nie bewertet, dann ist das eine sachliche Situationsbeschreibung. Gefragt ist in dieser Lage eine nüchterne Analyse mit daraus folgenden Entscheidungen. Die Zeiten, in denen Volkszählungen Widerstand von Bürgerrechtlern weckten, scheinen vorbei. Wenn die Strategie internationaler Terroristen wie der Spiegel schrieb schlicht Massenmord heißt, dann ist Umdenken zwingend notwendig.
Panik sollte aber kein Ratgeber sein. Noch sind wir in Deutschland glücklicherweise davon entfernt, dass, wie in einem britischen Ferienflieger geschehen, anders aussehende Menschen sich verdächtig machen und einem Spießrutenlauf ausgesetzt sind. Deshalb sind die Politiker und die Gesellschaft gefordert, irrationalen Ängsten zu widerstehen. Alles andere wäre eine Niederlage der Demokratie. Eine Ausweitung der Videoüberwachung an Bahnhöfen und anderen öffentlichen Räumen ist eine Konsequenz aus den vergangenen Tagen, bei der jede Verhältnismäßigkeit ob der menschenverachtenden für unsere Breitengrade ungewohnten Bedrohung gewahrt bleibt.
Die Anschlagspläne auf die zwei Regionalzüge müssen nun komplett aufgedeckt werden. Anschließend muss geklärt werden, ob die Instrumente der Polizei ausreichen, um ein Höchstmaß an Sicherheit für die Menschen im Lande zu gewährleisten. Rechtsstaatliche Bedenken und Sorgen sind bei diesem Prozess zu berücksichtigen, doch auch hier sollte in der Debatte Verhältnismäßigkeit aufrechterhalten werden. Mehr Videoüberwachung bedeutet noch lange nicht, dass sich Deutschland ideologisch in die Richtung rechtsstaatsfreier Zonen wie das US-Gefangenenlager Guantanamo aufmacht. Der professionelle Fahndungserfolg von Kiel spricht eine deutliche Sprache.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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