Lausitzer Rundschau: Große Erwartungen Runder Tisch gegen Kindesmissbrauch
Geschrieben am 23-04-2010 |
Cottbus (ots) - Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Heranwachsenden gehört ohne Zweifel zu den abscheulichsten Verbrechen unserer Zeit. Dabei ist der Tabubruch dort am leichtesten, wo der öffentliche Einblick am schwersten ist: in kirchlichen Einrichtungen, in schulischen Internaten, aber vor allem in Familien. Nach Schätzungen von Experten werden bis zu 90 Prozent der sexuellen Übergriffe im Verwandten- und Bekanntenkreis verübt. Trotzdem ist es nicht so, dass die moderne Gesellschaft den Mantel des Schweigens darüber ausbreiten würde. Im Gegenteil. Die Medien informieren regelmäßig und ausführlich über besonders furchtbare Fälle. Offenkundig hat es aber erst der spektakulären Ereignisse am Berliner Canisius-Kolleg und an der reformpädagogisch orientierten Odenwaldschule in Hessen bedurft, dass auch die Politik in der Hauptstadt aufgewacht ist. Unter Leitung von gleich drei Bundesministerinnen berät nun ein Runder Tisch, was sich gegen Kindesmissbrauch konkret tun lässt und wie man den zahlreichen Opfern wirkungsvoll helfen kann. Dabei ist die Erwartung mindestens genauso groß wie die Befürchtung, dass es sich bei dem Gremium nur um einen der üblichen Debattierzirkel handelt, der sich nur in flammenden Absichtserklärungen erschöpft. Auch der beste Runde Tisch diskutiert freilich ins Leere, wenn die betroffenen Institutionen nicht selbst deutlich mehr Verantwortung übernehmen. Die Politik kann diese Einsicht nur flankieren. Korrekturbedürftig sind etwa die Verjährungsfristen. Viele der jetzt bekannt gewordenen Fälle liegen Jahrzehnte zurück. Dadurch lassen sie sich nicht mehr strafrechtlich verfolgen. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten für eine Entschädigung der Opfer zu klären. Ob ein überdimensionierter Runder Tisch dazu in der Lage ist, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten erweisen. Gegenwärtig trägt die Missbrauchsdebatte beinah schon hysterische Züge. Eine Versachlichung der Diskussion ist der Minimalanspruch, um den sich das Gremium verdient machen kann.
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