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Börsen-Zeitung: Die Währungsreform, Kommentar zum Rettungsschirm für den Euro von Claus Döring

Geschrieben am 10-05-2010

Frankfurt (ots) - Das Erfreuliche vorweg: Euroland hat sich als
handlungsfähig erwiesen. Ein so umfangreiches finanzielles Programm
als Antwort auf die Euroland-Krise hatten wenige erwartet, auch nicht
die Märkte, die sich zumindest gestern schwer beeindruckt zeigten.
Das Bestürzende: Gerettet wurde nicht der Euro und damit die Währung
der Bürger von 16 europäischen Staaten, sondern eine zerrüttete und
unglaubwürdig gewordene Währungsunion. Und dies zu langfristig
finanziellen und gesellschaftlichen Kosten, die heute noch längst
nicht abzusehen sind. Nicht die Höhe der am Wochenende beschlossenen
Stabilisierungsmaßnahmen über 750 Mrd. Euro für Anleihen und
Garantien ist das Problem. Der Preis ist der langfristige
Vertrauensverlust in den Euro, der nun beste Chancen für eine
Karriere als Weichwährung mitbringt.

Der Euro von morgen ist nicht mehr der Euro von gestern. Wir
erleben eine Währungsreform, die zwar den Namen und die Banknoten
nicht verändert, aber nachhaltig den Wert des Geldes und die Rolle
der Notenbank. Denn der Wert des Euro beruhte auf der Solidität und
Wirtschaftskraft der Euro-Länder und ihrem Willen, eine
Stabilitätsgemeinschaft zu sein - ganz in der Tradition der Deutschen
Mark. Seit dem Wochenende haben wir eine völlig neue Welt in
Euroland: Alle Länder haften für die Schulden aller Länder.

Lebenslüge des Euro

Der "neue" Euro startet mit einer Lebenslüge. Danach hat sich der
"alte" Euro in einer systemischen Krise befunden. Doch es war nicht
der Euro, der in der Krise steckte, sondern die Finanzpolitik der
Euro-Länder. Nur deswegen haben die Anleger weltweit dem Euro das
Vertrauen entzogen. Nicht über Nacht, aber Tag für Tag. Diese
Sanktion der Märkte hat die Politik, die es gewohnt ist, vom Wähler
nur alle fünf Jahre die Quittung zu bekommen, in Panik versetzt.
Nicht besonnenes Krisenmanagement war die Antwort, sondern
Alarmismus. Gerade so, als hätte man aus zehn Jahren Währungsunion
nichts gelernt.

"Der aktuelle Euro-Kurs ist weder zu hoch noch zu niedrig, weder
gut noch böse. Er stellt nicht der Europäischen Zentralbank als
Hüterin des Euro ein schlechtes Zeugnis aus, sondern den
Verhältnissen in Euroland. Denn die EZB hat ihre Hauptaufgabe, für
innere Preisstabilität zu sorgen, bisher bravourös erledigt. Für
andere wirtschaftspolitische Ziele ist sie nicht zuständig, hat sie
auch nicht das notwendige Instrumentarium. Vor allem kann die
Geldpolitik nicht Reparaturbetrieb für politische Versäumnisse sein.
Dies hat schon auf nationaler Ebene nie funktioniert und kann in
Euroland mit einer kaum harmonisierten Wirtschafts- und Finanzpolitik
erst recht nicht klappen." So war in einem Kommentar in der
Börsen-Zeitung vor zehn Jahren zu lesen (vgl. BZ vom 26.4.2000).
Damals notierte der Euro bei 92,45 US-Cent. Der Notstand wurde
seinerzeit nicht ausgerufen.

EZB verliert Souveränität

Selten sind die Bürger dieses Landes für so dumm verkauft worden
wie mit dem Spruch der Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Wir schützen
das Geld der Menschen in Deutschland." Kurzfristig scheint die
Reaktion der Märkte ihr recht zu geben, wenn man nur auf den
Außenwert des Geldes sieht. Die Politik hat die Spekulation gegen den
Euro geschlagen wie einst Don Quichote die feindlichen Armeen. Das
Schreckgespenst der Spekulation muss zur Rechtfertigung des
Rechtsbruchs herhalten, indem man den Notstand deklariert. Ein
Notstand, in den sich die Politiker Eurolands und der EU-Kommission
selbst hineinmanövriert haben, um dann die Alternativlosigkeit ihrer
Rettungsmaßnahmen zu beschwören.

Jene Institution, die den Binnenwert des Euro schützen soll, ist
eingeknickt. Die EZB hat ihre Souveränität verloren, im wirklichen
und im übertragenen Sinn. Diese Souveränität dokumentierte sich im
selbstbewussten Spruch ihres ersten Präsidenten Wim Duisenberg: "Ein
Euro ist ein Euro." Mit dem Aufkauf von Staatsanleihen gibt die EZB
nun ihre zentrale Aufgabe als Hüterin des Euro auf und sorgt sich
künftig auch um die Refinanzierung der Euro-Länder. Die Trennung von
Geld- und Fiskalpolitik ist aufgehoben. Die Politik darf sich
eingeladen fühlen, Schuldenberge künftig nicht durch Sparen, sondern
durch Inflation abzutragen.

Die EZB wird zum Reparaturbetrieb für politische Versäumnisse.
Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy sieht sich seinem Ziel einer
europäischen Wirtschaftsregierung nahe - mit einer ihr
untergeordneten EZB und Präsident Jean-Claude Trichet als
Abteilungsleiter?

Die Notenbanken haben dem politischen Druck nicht standgehalten.
Werden wenigstens die Gerichte ihm trotzen, wenn es um den
Rechtsbruch geht? Pragmatiker meinen, der Zweck heilige die Mittel.
Aber welcher Zweck? Eine europäische Haftungsgemeinschaft kann
zumindest aus deutscher Perspektive kein Ziel sein. Es wäre auch
nicht demokratisch legitimiert. Es ist grotesk, dass in diesem Land
die Bürger - wie demnächst in Bayern - zwar per Volksentscheid zur
Ausgestaltung des Rauchverbots gefragt werden, nicht aber zu
existenziellen Fragen wie der ihrer Währung.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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