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Lausitzer Rundschau: Halb voll oder halb leer? Die Kriminalstatistik geht an der Realität vorbei

Geschrieben am 18-05-2010

Cottbus (ots) - In den Jubelgesang des Bundesinnenministers möchte
man nicht unbedingt mit einstimmen. Gewiss, die Statistik spricht
vordergründig eine erfreuliche Sprache. Demnach ist die registrierte
Kriminalität weiter rückläufig, und die Polizei setzt bei der
Aufklärung der Straftaten ihre Erfolge der vergangenen Jahre fort.
Kompliment, wenn man bedenkt, dass die Sicherheitsbehörden bei der
personellen und materiellen Ausstattung von ihren Dienstherren nach
wie vor äußerst knapp gehalten werden. Aber die meisten Zahlen sind
interpretierbar, wie das halb volle oder halb leere Glas. Nur bei
einzelnen Delikten, bei denen man annehmen kann, dass sie vom
Betroffenen regelmäßig und zuverlässig angezeigt werden, lässt sich
von der Statistik auf die Realität schließen - dies betrifft etwa
Wohnungseinbrüche, Raubüberfälle und Autodiebstähle. Ansonsten sind
die Erhebungen bestenfalls in der Lage, auf Tendenzen hinzuweisen.
Schon gar nicht tragen sie dazu bei, das subjektive Sicherheitsgefühl
in der Bevölkerung zu erhöhen. Ein Prozent weniger Straftaten 2009,
wer fährt deshalb schon beruhigter abends Bus oder Bahn? Es gibt eben
nicht ein Prozent weniger Angst. Dass das subjektive Gefühl vieler
Bürger nicht der statistischen Lage entspricht, hat Minister de
Maizière gestern selbst einräumt. Leider hat er unbeantwortet
gelassen, warum das so ist, und was man dagegen tun kann. Die Angst,
Opfer einer Gewalttat zu werden, ist augenscheinlich sogar weiter
gestiegen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Medien greifen
schlimme Fälle, wie jetzt beispielsweise den Mord an einem jungen
Mann in der Hamburger U-Bahn, viel häufiger auf. Auch ist das
Miteinander unverkennbar aggressiver geworden. Das kann man der von
Sparmaßnahmen gebeutelten Polizei nicht ankreiden. Allein die
Verlagerung vieler Taten ins fast unkontrollierbare Internet macht
die Arbeit der Beamten schwieriger. Und gefährlicher ist der Job auch
geworden, weil Gewaltbereitschaft und Brutalität gewachsen sind. Die
Politik ist es, die darauf reagieren muss, anstatt sich hinter
statistischen Erfolgen zu verschanzen. Aber wie? Im Kern kann es nur
darum gehen, die Prävention zu verstärken, um kriminelle Karrieren zu
verhindern. Gerade Jugendliche brauchen Perspektiven. Es benötigt
engagierter Schulen und Vereine, die mit der Polizei und der Justiz
zusammenarbeiten, um gefährdete Jugendliche aus der Isolation
herauszuholen. Nur: Mehr Polizei und mehr Sozialarbeit - das wird in
Zeiten desolater Kassen wahrscheinlich genau nicht geschehen. Und
deshalb ist es keine gewagte Prophezeiung, zu sagen, dass die
Statistiken von Minister de Maizière morgen schon ganz anders
aussehen können.

Originaltext: Lausitzer Rundschau
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/47069
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Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


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