Südwest Presse: Südwest Presse Ulm LEITARTIKEL zu LUFTFAHRT, Ausgabe vom 12.06.2010
Geschrieben am 11-06-2010 |
Ulm (ots) - Einkaufspassage, Whirlpool, Kegelbahn - was für
verrückte Einrichtungsideen gab es nicht für den Superflieger A380?
Bei der Lufthansa sieht es in der Kabine mit ihren 526 Sitzen heute
hingegen reichlich zweckmäßig aus. Air France quetscht sogar noch ein
paar mehr Passagiere an Bord. Die Luftfahrt-Branche ist auf dem Boden
ökonomischer Realität aufgeschlagen: Wirtschaftskrisen,
Billigflieger, ungezügelte Expansion, Umweltschutz, Naturphänomene
und politische Entscheidungen setzen vielen Fluggesellschaften zu.
Die Folgen: Fliegen wird in Zukunft teurer und ungemütlicher werden.
In den vergangenen drei Jahren hat die Branche riesige Verluste
aufgehäuft, 2009 waren es allein 68 Milliarden Euro. Zwar sollen in
diesem Jahr wieder Gewinne fließen, wie auf der Berliner
Luftfahrtausstellung Ila freudig verkündet wurde - allerdings vor
allem von Airlines der Südhalbkugel und Asiens. Wie konnte es zu
diesem Ungleichgewicht kommen? Zunächst: durch Überkapazität. Mehr
als 1000 Fluggesellschaften buhlen derzeit weltweit um Passagiere.
Viele davon sind unter staatlicher Obhut und überleben, selbst wenn
sie Verluste einfliegen. Die Überkapazität drückt die Preise und
lässt zwar viele Linien kooperieren oder sich unter die schützenden
Flügel größerer Airlines flüchten. Doch das passiert zu selten: In
den vergangenen Jahren wurden 574 Fluggesellschaften gegründet, aber
nur 200 verschwanden. Statt Konsolidierung heißt es Expansion, etwa
in China. Niedrige Preise verändern auch die Einstellung zum Fliegen.
Früher nahm man im Anzug und Kleid im Flugzeug Platz. Die
Stewardessen waren nett und reichten Essen auf Porzellan. Die Tickets
waren zwar teuer, dafür flog man aber auch nicht jedes Jahr in den
Urlaub. Heute ist die Beförderung zum Teil unbequemer als im
Schulbus. Die großen Flugunternehmen haben noch keine Antwort auf die
Billig-Airlines gefunden. Wenn British Airways deshalb ihre
Kurzstreckenflüge stark einschränkt, verschwindet sie als
Vollanbieter und macht sich von der Langstrecke abhängig. Auch bei
Interkontinental-Flügen gibt es einen Wertewandel: Weniger Passagiere
sind bereit, 12 000 Euro für einen Flug nach Südamerika in der Ersten
Klasse auszugeben. Air New Zealand hat die Luxussitze deshalb schon
vor Jahren abmontiert. Auch die Business-Klasse wird von Unternehmen
seltener gebucht. Innerhalb Europas müssen Manager oft Holzklasse
fliegen. Dazu kommt Pech für die Airlines. Die Totalausfälle durch
die Aschewolke Mitte April haben den Fluggesellschaften einen
Rückschlag verpasst. Statt erhoffter Hilfszahlungen plant die
Bundesregierung nun eine Luftverkehrsabgabe. Und auch der vorgesehene
Start des Handels mit Verschmutzungsrechten bringt die Gesellschaften
beim Blick auf die Millionenbelastungen ins Schwitzen. Seit Jahren
fordern sie zudem ein Ende staatlicher Gängelung durch nicht
liberalisierte Flugräume, die Kapitäne zu großen Umwegen zwingen.
Keine Frage: Fliegen wird wieder teurer, trotz der Billig-Anbieter.
Für 9,99 Euro nach London zu jetten, war aber schon immer ein
falsches Signal. Die ökologischen und ökonomischen Folgen holen die
Branche derzeit ein, die Politik zeigt Begehrlichkeiten. Schon jetzt
klagen Airlines über den geplanten Ticketaufpreis. Und letztlich geht
auch die einstige Kultur des Fliegens weiter verloren; anscheinend
sind schon A380-Flieger mit 1000 Sitzen im Gespräch. Wer wenig
bekommt, zahlt auch wenig - und umgekehrt. Doch das Preisdumping
gefährdet auch die Sicherheit. Airlines und Flugzeugbauer machen nur,
was absolut notwendig ist - und manchmal vielleicht auch weniger. Wer
heute wenig bezahlt, bekommt die Rechnung eben morgen präsentiert.
Originaltext: Südwest Presse
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Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218
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