Rheinische Post: Republik aus den Fugen Kommentar Von Sven Gösmann
Geschrieben am 18-06-2010 |
Düsseldorf (ots) - Koch, Köhler, Kraft. Drei Namen, die die neue
Unberechenbarkeit unserer Politik beschreiben. Fast im Zeitraffer
gibt es Rücktritte, Kehrtwenden. Das schafft Verunsicherung, kämpft
sich das Land doch durch seine schwerste Wirtschaftskrise. Es ist
eine unheimliche Krise, denn sie ist nicht überall in der Realität
der Menschen angekommen. Die Arbeitslosigkeit sinkt sogar, doch der
Krisenbegriff ist Teil der alltäglichen Lebenswahrnehmung. Dazu kommt
eine wachsende Irritation, weil unsere Gesellschaft über Jahrzehnte
vor allem die positiven Folgen der Globalisierung wahrgenommen hat:
etwa steigenden Wohlstand und eine Internationalisierung unseres
Lebensstiles. Doch daneben sind die Schattenseiten der Globalisierung
getreten. Die erste Zäsur, die Terroranschläge vom 11. September
2001, brachte Ungleichheit und Unberechenbarkeit ins kollektive
Bewusstsein. Es folgte der 14. September 2008, die Pleite der
US-Investmentbank Lehman Brothers als Fanal für die Krise der
Finanzmärkte. Das Beben löste die Schockwellen aus, die heute den
Euro gefährden. Koch, Köhler, Kraft. Übertreibt, wer diese drei in
Zusammenhang mit der Krise bringt? Nein. Denn auch sie sind Auslöser
aktuellen Unbehagens. Noch wird die Befürchtung nur gelegentlich
geäußert, dass die politische Klasse vor der Komplexität der Probleme
ins Bequeme flieht, statt Führung zu übernehmen. Die Fälle liegen
unterschiedlich. Koch, der Ministerpräsident, der frustriert mitten
in der Legislaturperiode das Private für sich entdeckt. Köhler, der
Bundespräsident, der ein Jahr nach seiner Wiederwahl gedemütigt das
Amt verlässt. Kraft, die wahrscheinlich nächste
NRW-Ministerpräsidentin, die der Unübersichtlichkeit des neuen
Fünf-Parteien-Systems mit der Scheinlösung Minderheitsregierung zu
entgehen sucht. Dazu kommt in Berlin eine nicht einmal ein Jahr im
Amt befindliche Bundesregierung, die ohne Kompass vor sich hin
streitet. Die Republik wirkt aus den Fugen. Doch nichts ist verloren.
Die Stabilität des Systems fußt nicht nur auf den Vorleuten. Die
Verwaltung arbeitet, die Wirtschaft ebenso. Die Wahrnehmung
mangelnder Führung kann behoben werden. Die Wahl des
Bundespräsidenten am 30. Juni ist so eine Chance, Politik neu zu
definieren. Beide Kandidaten haben das Zeug dazu. Die Kanzlerin, eine
andere Instanz, muss ebenfalls ihre Sprachlosigkeit überwinden.
Bisher hat sie es nur bei einer Rede geschafft, ihrem persönlich
gefärbten Plädoyer für die Freiheit vor dem US-Kongress, sich und
damit die Leitlinien deutscher Politik zu erklären. Sie vermag es
also. Die durchaus konstruktive Opposition aus SPD und Grünen könnte
dieser Wende zusätzlichen Schub verleihen. Eine Rückkehr zur Vernunft
aller Akteure in NRW wäre ebenfalls wichtig. Kraft wie Rüttgers
könnten durch persönliches Handeln Zeichen setzen. Dann wären Koch,
Köhler, Kraft in der Rückschau zwar nicht der Anfang vom Ende der
Krise, aber doch Anfang vom Ende der Krise der Politik.
Originaltext: Rheinische Post
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