Öffentliche Fördermittel für private Medieninhalte: ein möglicher, aber schwerer Weg / Gut besuchtes BLM-Forum zu Optionen der Rundfunkfinanzierung
Geschrieben am 23-06-2010 |
München (ots) - Die Relevanz klassischer Werbung sinkt, deshalb
nutzen Marken zunehmend neue Werbekanäle. Diesen Trend sieht Ronald
Focken, Geschäftsführer der Serviceplan Gruppe für innovative
Kommunikation, als wichtigen Schrittmacher für die künftige
Entwicklung der Werbewirtschaft. Ob das Szenario "Werbung ade - Neue
Erlösmodelle passé?" tatsächlich die künftige Finanzierung des
privaten Rundfunks bestimmen wird, diskutierten gestern beim
BLM-Forum in München Experten aus Werbewirtschaft, Sendern,
Medienpolitik und Medienforschung.
Vor diesem Hintergrund ging es auch um die Frage, inwiefern die
finanzielle Zukunft privater Medien durch eine öffentliche Förderung
gesichert werden kann. Bayerns Rundfunkreferent Dr. Klaus-Peter
Potthast zeigte sich in der Abschlussdiskussion mit Blick auf das
private Lokalfernsehen zuversichtlich. Wenn programmliche Vielfalt,
zum Beispiel im lokalen Bereich, anders nicht zu generieren sei,
müsste über Hilfe durch strukturelle Förderung nachgedacht werden.
VPRT-Präsident Jürgen Doetz appellierte indes an die
Medienpolitik, alle diejenigen zu unterstützen, die privaten Sendern
Anreizsysteme bieten. Außerdem, so war er sich mit BLM-Präsident
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring einig, müssten die Überprüfung des
Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die
Durchsetzung des Werbeverbots für die Öffentlich-Rechtlichen
Priorität haben. Nur auf diesem Weg, hatte Ring zum Auftakt der
Veranstaltung betont, könne die Ordnungspolitik die dringend
notwendige Chancengleichheit im dualen System schaffen. "Die Berg-
und Talfahrt der vergangenen zehn Jahre bedeutet eine enorme
Belastung für die Unternehmen, da Planungssicherheit weitgehend
fehlt", begründete Ring seine Forderungen.
Was diese Talfahrt verursacht hat und wie sich die
Finanzierungsgrundlagen für klassische Medien entwickeln, erläuterte
Klaus Böhm, Director Media Practice von Deloitte. Sinkende
Werbeerlöse sowie die Fragmentierung der Zielgruppen und der
Senderlandschaft bedrohten das Refinanzierungspotenzial. Die
zunehmende Entlinearisierung bei der Mediennutzung und die weiterhin
begrenzte Zahlungsbereitschaft der Medienkonsumenten erschwere die
Finanzierung erheblich. Doch selbst bei der Online-Werbung fehlten
noch die Reichweiten. Außerhalb des Suchmaschinenmarketings, das 50
Prozent der Einnahmen generiere, gebe es noch keine großen
"Leuchttürme" mit nennenswerter Reichweite.
Doch trotzdem verschieben sich die Media-Budgets eindeutig in
Richtung digitales Marketing, wie Ronald Focken von der Mediaagentur
Serviceplan berichtete. Während bei Serviceplan vor zehn Jahren noch
etwa zwei Drittel des Budgets auf die klassischen Medien entfallen
sei, wäre diese Zahl 2010 auf weit unter 50 Prozent gesunken, während
die digitalen Kommunikationskanäle zulegen. Der Grund: Das Internet
werde zum Leitmedium und die "Digitalisierung ist ein zentraler
Keydriver zur individualisierten Ansprache von Zielgruppen". Außerdem
steige aufgrund der zunehmenden Macht der Controller und Einkäufer in
den Markenunternehmen der Effizienzdruck. Die Mediaagenturen seien
genauso wie die klassischen Medien eher die Getriebenen, bekannte
Focken auf Nachfrage von Moderator Werner Lauff. Als Shooting-Stars
der Zukunft bezeichnete er Mobile und digitales Fernsehen.
Wie sie dies bereits realisieren, präsentierte Hans Fink, Managing
Director Music und Commerce Diversifikation von MM Merchandising
Media. Als neue Wachstumsquellen für die ProSiebenSat.1-Gruppe nannte
er vor allem das Lizenz- und Musikgeschäft. Die großen Medienhäuser
nehmen Crossmedialität sehr ernst und sehen das Internet auch weniger
als Konkurrenten denn als Chance, wie sie beispielsweise die
Parallelität von Fernsehen und Web im Hybrid-TV bietet. Wenn das
klassische lineare Fernsehen nur noch eine von vielen Kernanwendungen
sein wird, so Videoweb-Geschäftsführer Matthias Greve, werde der
Flachbildschirm vom Fernseher zum multimedialen Terminal.
Wie wird in dieser von technologischer Innovation getriebenen Welt
die Zukunft des lokalen Fernsehens aussehen? Immerhin sind rund 60
Prozent aller Fernsehsender in Deutschland lokale Stationen,
berichtete Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer des
Beratungsunternehmens Goldmedia. Diese Lokalsender finanzierten sich
jedoch nur zu knapp 50 Prozent aus Werbeerlösen und wären zu etwa 20
Prozent auf Fördermittel angewiesen. Denn ihr Kostendeckungsgrad
betrage nach aktuellen Zahlen nur 91 Prozent. Die Zuschauerakzeptanz
des Lokal-TV sei dagegen sehr hoch. Damit sei die Förderung des
lokalen Fernsehens nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine
politische Frage. Es gebe Fördermodelle in Österreich und in der
Schweiz, die private Medieninhalte mit öffentlichen Geldern
förderten, erläuterte Goldhammer gegenüber Lauff. In der Vergrößerung
der Berichterstattungsgebiete sehe er dagegen, so seine Antwort auf
Lauffs Nachfrage, keine Lösung des Problems.
Das Modell einer öffentlichen Förderung privater Rundfunkangebote
wie Lokal-TV durch einen Gebührenanteil in Deutschland durchzusetzen,
wird von den Rechtsexperten als schwierig angesehen. Privat
finanzierte Medieninhalte öffentlich zu fördern sei zwar
grundsätzlich zulässig, resümierte der Leiter der Forschungsstelle
für Medienrecht an der Fachhochschule Köln, Prof. Dr. Rolf
Schwartmann. Dafür müssten aber "verfassungs- und europarechtliche
Grenzen" eingehalten werden, die Förderung müsse sich "staatsfrei
vollziehen, einen besonderen Wert für die Meinungsvielfalt aufweisen
und sich dem Beihilferegime unterwerfen". Allerdings, so Schwartmann
weiter, sei eine Förderung der technischen Infrastrukturkosten für
private Spartenprogramme aus Rundfunkgebühren rechtlich möglich.
Auf die rechtlichen Grenzen einer öffentlichen Förderung nahm auch
Dr. Klaus-Peter Potthast noch einmal Bezug. Er betonte, dass es im
Bayerischen Landtag klare Beschlüsse zum Erhalt des Lokal-TV gegeben
hätte, das Signal aber auch sehr deutlich gewesen sei, die
Staatsmittel "abzuschmelzen und auslaufen zu lassen". Seine Aussage
in der Abschlussdiskussion, über aktive Hilfsprogramme zur
strukturellen Förderung nachzudenken, ließ dann aber einen
optimistischeren Blick in die Zukunft des lokalen Rundfunks in Bayern
erkennen.
Diese Informationen finden Sie auch im Internet unter: www.blm.de
Originaltext: BLM Bayerische Landeszentrale für neue Medien
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62483
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62483.rss2
Pressekontakt:
Bettina Pregel, Tel. (089) 63808-318, bettina.pregel@blm.de
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