AOK: Reha fängt beim Patientengespräch an und muss mehr auf den Einzelnen zugeschnitten werden / Neues Untersuchungskonzept zur Reha nach Schlaganfall entwickelt - Praxistest vor dem Start
Geschrieben am 06-07-2010 |
Berlin (ots) - Die Rehabilitation von älteren Menschen steht noch
immer im Abseits: "Es fehlt an Transparenz und Vernetzung mit der
Krankenhausbehandlung und der Häuslichen Krankenpflege", sagte der
Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, Dr. Rolf Hoberg, auf dem 1.
Fachkongress für Rehabilitationsforschung und Versorgungsmanagement
am Dienstag (6. Juli 2010) in Berlin. Aus der Abseitsfalle komme die
Rehabilitation nur durch ein deutlich besseres Zusammenspiel zwischen
der medizinischen Behandlung und der Prävention heraus.
Hoberg: "Die Forschung zeigt, dass gute Reha immer individuell und
vernetzt ist. Dies wollen wir jetzt bei der Reha von älteren
Schlaganfallpatienten stärker erreichen." Dazu werde die AOK
Baden-Württemberg zusammen mit der Universität Heidelberg ab Herbst
eine intensive Untersuchung mit umfassendem Arztgespräch, ein
sogenanntes Assessment, auf seine Praxistauglichkeit hin testen.
Ziel des Praxistests ist Hoberg zufolge eine individuell auf den
Einzelnen zugeschnittene Reha, die wirklich helfe, die
Krankheitsdauer insgesamt zu verkürzen und Pflegebedürftigkeit zu
vermeiden: "Am Ende steht die Selbstständigkeit des Patienten, die
erhalten oder zurückgewonnen wird. Gesund werden und im Alter
möglichst lange auch gesund bleiben", heißt deshalb die Devise für
den AOK-Chef Hoberg.
Dieser neue Ansatz ergab sich aus der Studie "ARISE" (Angewandte
Rehabilitationsforschung Interdisziplinäre Schlaganfall Erhebung),
die vom Institut für Gerontologie an der Universität Heidelberg
erstellt wurde und deren Ergebnisse der Leiter des Instituts,
Professor Dr. Andreas Kruse, auf dem Kongress in Berlin vorgestellt
hat. "Die Studie hat eindeutig gezeigt, dass bei der Entscheidung, ob
und welche Rehabilitationsleistungen Schlaganfallpatienten erhalten
sollen, das Lebensalter nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Körperliche, psychische und kognitive Merkmale müssen unbedingt mit
berücksichtigt werden, um eine schnellstmögliche und vor allem
dauerhafte Genesung zu erreichen", forderte Kruse. Diese Merkmale
erkenne der Arzt jetzt im Assessment und könne dann seine
Entscheidung viel besser als bisher individuell auf seinen Patienten
zuschneiden.
Diese maßgeschneiderte Rehabilitation ist für Dr. Christopher
Hermann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK
Baden-Württemberg, aber nur der erste Schritt auf dem Weg zur
nachhaltigen Verbesserung der Versorgungssituation in Deutschland.
"Schon bis 2020 wird die Zahl der über 80jährigen von derzeit rund
vier Millionen auf sechs Millionen - also um rund 50 Prozent -
ansteigen. Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter wird hingegen um
rund acht Prozent zurückgehen." Politik, Wissenschaft und
Krankenkassen müssen schnell handeln, um die Finanzierung des
Gesundheitssystems auch längerfristig noch zu ermöglichen.
Eine Forderung, die Prof. Dr. Ulla Walter, Direktorin für
Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung an der
Medizinischen Hochschule Hannover, voll und ganz unterstützt.
"Potenziale älterer Patienten müssen zukünftig durch eine angemessene
Versorgung und unterstützende Strukturen gefördert werden. Die
Zusammenarbeit der AOK Baden-Württemberg und des Instituts für
Gerontologie der Universität Heidelberg kann der Politik hier als
Blaupause dienen und macht erste Lösungsansätze deutlich."
Demografische Probleme lösbar
Geht es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen mit der
gesellschaftlichen Entwicklung so weiter, dann wird die Zahl der
alten, aber auch der chronisch kranken Menschen immer größer. Eine
der Folgen wäre, so Altersforscher Kruse: "Die sozialen
Sicherungssysteme könnten diese Anforderungen nicht mehr bewältigen.
Das Potenzial zu einer Zunahme der Jahre in Gesundheit und
Selbständigkeit wurde eindeutig nachgewiesen. Die Nutzung dieses
Potenzials ist nicht nur für die Lebensqualität des Einzelnen
wichtig, sondern auch für die Erhaltung der Leistungsfähigkeit der
sozialen Sicherungssysteme."
Werden diese Erkenntnisse nicht genutzt, würde dies laut AOK-Chef
Hoberg unweigerlich zusätzliche Finanzmittel notwendig machen: "Wenn
sich die Zahl der Menschen, die 80 Jahre und älter sind, in den
nächsten zehn Jahren auf sechs Millionen erhöht, bedeutet das, dass
allein dadurch bundesweite Mehrausgaben von rund 28 Milliarden Euro
extra finanziert werden müssen. Weder Staat noch Krankenkassen
könnten diese Summe ohne weiteres aufbringen." Erstrebenswert sei es
auch deshalb, ein Leben bis ans Ende möglichst lange ohne schwere
Krankheiten führen zu können. "Das ist human, natürlich und letztlich
durch das Sozialsystem auch finanzierbar", sagte Hoberg.
Aus diesem Grund appelliert der Heidelberger Altersforscher Kruse
deutlich an die Politik, dieses demografische Problem entschiedener
zur Kenntnis zu nehmen. Und nicht nur das: "Nur durch eine schnell zu
startende konzertierte Aktion von Politik, Wissenschaft und sozialen
Sicherungssystemen kann man den auf die Gesellschaft zukommenden
Schwierigkeiten einigermaßen Herr werden. Wir dürfen aber den
Einzelnen nicht vergessen. Es braucht auch den Appell an die
Selbstverantwortung jeder Bürgerin und jedes Bürgers. Gesundheit im
Alter wird einem nicht geschenkt, man muss sie sich erarbeiten -
dafür braucht es gute, leicht erreichbare Angebote. Erste wertvolle
Schritte haben wir zusammen mit der AOK Baden-Württemberg und der
ARISE-Studie gemacht - weitere Schritte müssen folgen."
Hinweis an die Redaktionen:
Weitere Informationen wie die Statements der
Pressekonferenz-Teilnehmer, Grafiken oder Hintergrundinformationen zu
ARISE gibt es im Internet unter www.aok-bw-presse.de > Statistiken /
Studien / Zahlen > digitale Pressemappe zum 1. Fachkongress für
Rehabilitationsforschung und Versorgungsmanagement
Das Institut für Gerontologie (IfG) der Universität Heidelberg
wurde 1986 von Frau Prof. Dr. Ursula Lehr - Bundesministerin a.D. -
gegründet. Es steht seit 1997 unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas
Kruse und beschäftigt sich mit dem Potentialen und Ressourcen des
Alters wie auch mit Fragen der Rehabilitation, der Lebensqualität und
der Ethik. Es ist zudem engagiert in der nationalen und
internationalen Politikberatung.
Weitere Informationen zum IfG im Internet unter:
www.gero.uni-heidelberg.de
Die AOK Baden-Württemberg versichert mehr als 3,7 Millionen
Menschen und zahlt rund 11 Milliarden Euro pro Jahr an Leistungen in
der Kranken- und Pflegeversicherung.
Weitere Informationen zur AOK Baden-Württemberg im Internet unter:
www.aok-bw.de
Originaltext: AOK Baden-Württemberg
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/51195
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_51195.rss2
Pressekontakt:
AOK Baden-Württemberg, Pressestelle,
E-Mail: presse@bw.aok.de, Tel.: 0711 25 93-166
Universität Heidelberg, Institut für Gerontologie,
Prof. Dr. Andreas Kruse, Institutsdirektor
E-Mail: andreas.kruse@gero.uni-heidelberg.de, Tel.: 06221 - 54 81 81
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