WAZ: Was treibt Hoeneß an? Kommentar von Reinhard Schüssler
Geschrieben am 18-07-2010 |
Essen (ots) - Wenn er nach vorne stürmt, kennt der Mann keine
falsche Bescheidenheit. So hat Uli Hoeneß für den Fall seiner Wahl
zum DFL-Präsidenten denn auch schon mal angekündigt, dass es danach
"allen besser gehen" werde. So weit würde sich kein Kanzler-Kandidat
aus dem Fenster lehnen, obwohl vollmundige Versprechen doch
gewissermaßen zum Anforderungsprofil von Politikern gehören.
Aber Hoeneß ist eben nicht mit normalen Maßstäben zu messen, und
das ist durchaus auch positiv gemeint. Wie kein anderer Top-Fußballer
hat er nach dem frühen Ende seiner Spieler-Karriere (mit "27")
nahtlos den Übergang ins Management der Branche geschafft, dabei den
vor 30 Jahren mit sieben Millionen Mark verschuldeten FC Bayern zu
einem auch finanziell stabilen Welt-Klub geformt. Eine Bilanz, die
den 58-Jährigen für fast jeden Job im Fußball prädestiniert. Aber
auch für den des Ligaverbandschefs, der die Interessen aller Vereine
wahrzunehmen hat?
Vor die Wahl zwischen Amtsinhaber Reinhard Rauball und
Herausforderer Uli Hoeneß gestellt, werden sich die Delegierten der
36 Profiklubs am 18. August überlegen müssen, ob sie dem
Bayern-Präsidenten abnehmen, dass er "ihnen allen helfen und ihnen
Vorteile bringen werde". In seiner Manager-Vita jedenfalls hat Hoeneß
fast ausschließlich Solidarität mit Vereinen geübt, die seinen Bayern
nicht gefährlich werden konnten - wie dem FC St. Pauli.
Unvergessen ist der 1999 von Hoeneß ausgekungelte Geheimvertrag
mit der Kirch-Gruppe, der dem FC Bayern Millionensummen an der Liga
vorbei bescherte - als Gegenleistung für die Tolerierung der
Fernseh-Zentralvermarktung. Folglich hat er es sich selbst
zuzuschreiben, dass seine Kandidatur die Frage aufwirft: Welchen
Nutzen könnte ein Verbandschef Hoeneß für den FC Bayern haben, der ja
- wie der Bewerber verriet - zunächst erwogen hatte, niemanden mehr
zur DFL zu schicken?
Nicht auszuschließen ist natürlich, dass der ehemalige
selbsternannte Leiter der Abteilung Attacke sich nach dem Rückzug aus
dem operativen Geschäft in München unterfordert sieht und im Herbst
seiner Karriere auch noch als Förderer des ganzen deutschen Fußballs
anerkannt werden möchte.
Dem Liga-Fußball steht allemal eine weitreichende Entscheidung
bevor, bei der es nicht nur um die Frage nach dem besseren Mann für
diesen Job geht. Die Delegierten müssen auch die Folgen einer
Abstimmungsschlappe von Hoeneß bedenken, der kaum antreten würde,
sähe er keine realistische Siegchance. Weil der FC Bayern aber in der
Niederlage noch selten wahre Größe gezeigt hat, könnte der DFL in
diesem Fall eine Zerreißprobe drohen.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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