Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Hamburger Schulstreit
Geschrieben am 19-07-2010 |
Bielefeld (ots) - »Demokratisch wertvoll« - dieses Prädikat hat
der Hamburger Schulstreit allemal verdient. Auch ist er in vielerlei
Hinsicht lehrreich. Lehre 1: Schulpolitik braucht Nachhaltigkeit.
Strukturrefomen sind nur zu rechtfertigen, wenn ihr Nutzen über jeden
Zweifel erhaben ist. Bildungspolitik verlangt Augenmaß, gerade weil
sie Ländersache ist. Nirgendwo sonst kann eine Landesregierung ihre
Gestaltungskraft so sehr beweisen, aber eben auch so sehr
missbrauchen. Im schlimmsten Fall werden Schüler, Eltern und Lehrer
im Zyklus der Legislaturperioden Opfer politischen Wagemuts. Diesem
Wagemut erlag auch Schwarz-Grüne in Hamburg. Die These, dass längeres
gemeinsames Lernen automatisch zu mehr Bildungsgerechtigkeit führt,
reichte der Regierung, um die Einführung der Primarschule zu
begründen. Dabei gibt es kaum hinreichende Belege, wohl aber triftige
Gegenargumente. So wurde beim jüngsten Ländervergleich der
Schülerleistungen ausgerechnet Berlin als das ungerechteste
Bundesland ermittelt, obwohl dort die Grundschule sechs Jahre dauert.
Lehre 2: Schulreformen müssen erklärbar sein und erklärt werden. Zu
tiefgreifend können die Folgen für die Schüler und damit die Ängste
der Eltern sein. Hier hat Schwarz-Grün versagt. Entsprechend leicht
fiel es der Bürgerinitiative »Wir wollen lernen«, den Widerstand zu
formieren. Diesen Widerstand hat die Regierung dann auch noch viel zu
lange missachtet. Am Schluss ließ er sich nicht mehr stoppen. Lehre
3: Schule braucht Veränderung, Hamburg zum Trotz. Unstrittig ist,
dass das deutsche Bildungssystem, gerade im internationalen
Vergleich, ungerecht ist. Noch immer bestimmt die soziale Herkunft am
stärksten über den schulischen Erfolg. Erster Ansatzpunkt muss dabei
jedoch die individuelle Förderung jedes Kindes sein - ein Recht, das
übrigens seit 2006 im NRW-Schulgesetz festgeschrieben, aber längst
nicht erreicht ist. Auch hier ist viel von Hamburg zu lernen, denn
zur dortigen Schulreform soll ja auch die Einführung kleinerer
Klassen gehören. Das erfordert mehr Lehrer und wird viel Geld kosten.
Auch die Stadtteilschulen könnten angesichts der dahinsiechenden
Hauptschulen Modellcharakter für NRW bekommen. Alles in allem viel
Arbeit für die rot-grüne Minderheitsregierung. Schulministerin Sylvia
Löhrmann hat gestern prompt versprochen, es besser zu machen als die
Hamburger. Blumig sprach die Grüne vom »sanften Weg«. Das aber
verschleiert, dass ihre Pläne dazu angetan sind, die Schullandschaft
aus den Angeln zu heben. Sollen in fünf Jahren tatsächlich 30 Prozent
der weiterführenden Schulen in NRW Gemeinschaftsschulen sein,
erfordert das Veränderungen, wie sie nachhaltiger kaum sein könnten.
Nimmt man noch die geplante Wahlmöglichkeit der Schulen zwischen dem
Abitur nach acht (G8) und neun Jahren (G9) hinzu, muss Eltern
schulpflichtiger Kinder angst und bange werden. Politischer
Lernwille sieht anders aus. Noch scheint Hamburg weit weg für
Rot-Grün.
Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
279991
weitere Artikel:
- Kölner Stadt-Anzeiger: Nach Rücktritt von Ole von Beust: Laumann kritisiert Bundes-CDU Köln (ots) - Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen
Arbeitnehmerschaft (CDA) und nordrhein-westfälische
CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann hat angesichts der
Schwäche der schwarz-gelben Bundesregierung vor weiteren Einbrüchen
der CDU in den Ländern gewarnt. "Das muss in Berlin stimmiger
werden", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstag-Ausgabe).
"Wir können in den Ländern machen, was wir wollen: Wenn das so
weitergeht, ist das schwierig. Wir müssen sehen, dass wir das besser
hinkriegen. Sonst wird es sehr, mehr...
- Lausitzer Rundschau: Vor 60 Jahren wurde der Zentralrat der Juden gegründet Cottbus (ots) - Die 60-jährige Geschichte des Zentralrats der
Juden liest sich zunächst wie ein großer Erfolg. Es leben heute über
100000Menschen in Deutschland, die in jüdischen
Gemeinden organisiert sind. Und zum Jubiläum ihres bundesweiten
Vertretungsorgans wird gefragt, inwieweit es ihnen endlich gelingen
mag, sich frei zu machen von der Last der Überlebenden, der Trauer um
den Völkermord. Aber auch nach 60Jahren wird dies ein frommer
Wunsch bleiben. Jüdisches Leben in Deutschland ist noch auf viele
Jahrzehnte mehr...
- Lausitzer Rundschau: Hamburger votieren gegen Schulreform Cottbus (ots) - Das klare Votum der Hamburger Eltern gegen ein
längeres gemeinsames Lernen im Grundschulalter ist sicher ein
gelungener Beitrag zur Stärkung der direkten Demokratie gewesen. Ein
gutes Signal für die angebliche Bildungsrepublik Deutschland war es
nicht. Die CDU dürfte es sich künftig dreimal überlegen, ob sie mit
einer Schulreform die bürgerlichen Wähler gegen sich aufbringen will.
Und auch bei den sonst so fortschrittlichen Grünen wird mancher
vorsichtiger werden. Grüne Sympathisanten mögen radikal für Bio-Kost mehr...
- Rheinische Post: Qual der Wahl Düsseldorf (ots) - Kommentar von Michael Bröcker
Die Mitgliederbefragung ist ein beliebtes Mittel in zerstrittenen
Parteigliederungen, wenn ein neuer Chef gebraucht wird, aber die
Bewerber zögern, taktieren und zweifeln. Ein unausweichlicher
Kandidat, ein charismatischer Parteiführer im Sinne Max Webers,
anerkannt, unumstritten und mutig, hat sich in der NRW-CDU der
vergangenen Wochen jedenfalls nicht herauskristallisiert. Nun soll
die Basis den Ausleseprozess forcieren. Drei Männer stehen wohl zur
Auswahl: Andreas Krautscheid, mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Schulen / Reformen / Regierung / Hamburg Osnabrück (ots) - Bildungspolitische Zwangsbeglückung
Das Beste am Hamburger Schulstreit ist, dass er vorbei ist. Denn
auch wenn es manchmal nicht den Anschein hat: Es gibt wichtigere
Fragen in der Bildungspolitik als die, ob alle Schüler vier oder
sechs Jahre lang gemeinsam lernen. Wenn die Eltern sich mit gleicher
Intensität, mit der sie um das System gefochten haben, außerschulisch
um ihre Kinder kümmerten, wäre bereits viel gewonnen. Auch andere
Dinge wirken sich stärker aus: ein dichtes Netz der Betreuung im
vorschulischen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|