Neue OZ: Kommentar zu EU / Erweiterung / Island
Geschrieben am 27-07-2010 |
Osnabrück (ots) - Zweckehe statt Liebesheirat
Lange hat sich Island in Sachen EU vornehm zurückgehalten - erst
die Finanzkrise und der Beinahe-Bankrott des Inselstaates machten
Europa und seine stabile Währung attraktiv genug für einen Beitritt.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Aufnahmegesuch Islands nicht wie
der Wunsch nach einer Liebesheirat, sondern wie der Antrag für eine
Zweckehe.
Das zeigen auch die ersten Gespräche, in denen sich gleich die
unterschiedlichen Vorstellungen offenbaren: Island will sich bei der
Fischerei nicht von der EU mit ihren Fangquoten hineinreden lassen.
Der Inselstaat beharrt auf dem Walfang. Und zusätzlich mahnt
Außenminister Skarphédinsson präventiv an, dass sich gefälligst alle
Beteiligten an die Regeln halten und Entschädigungsforderungen gegen
Island aus Zeiten der Finanzkrise ausblenden sollen. Große Töne für
ein Land, das vor einem Jahr noch kurz vor der Pleite stand.
Vielleicht hatte Skarphédinsson im Hinterkopf, dass die Isländer
dem EU-Beitritt noch zustimmen müssen: Gegenüber seinen Landsleuten
kann er jedes minimale Zugeständnis der EU gut gebrauchen. Wer wollte
es ihm da verdenken, mit Maximalforderungen in die Verhandlungen zu
gehen? Klar ist aber auch: Die Europäer werden Island nicht
reihenweise mit Sonderregelungen beglücken.
Zwei bis drei Jahre sind für die Verhandlungen angesetzt - Zeit
genug, damit Skarphédinsson sich bewusst macht, dass Island die
Staatengemeinschaft bittet und nicht umgekehrt und im Zweifelsfall
derjenige sein muss, der nachgibt.
Originaltext: Neue Osnabrücker Zeitung
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