Westdeutsche Zeitung: Kachelmann = von Wolfgang Radau
Geschrieben am 29-07-2010 |
Düsseldorf (ots) - Mehr als 18 Wochen hat Jörg Kachelmann in
Untersuchungshaft zugebracht. Ob zu Recht oder zu Unrecht, das wird
demnächst vor dem Landgericht Mannheim verhandelt. Fest steht nur:
Als der Wettermoderator am 20. März festgenommen wurde, geschah dies
unter dringendem Tatverdacht. Anklage erhoben wurde wegen
hinreichenden Tatverdachts. Freigelassen wurde er gestern, weil kein
dringender Tatverdacht besteht. Es gibt viele Fragezeichen in diesem
Fall. Dass die Justiz bestätigen musste, dass Kachelmann verhaftet
worden ist, darauf hatte die Öffentlichkeit ein Anrecht. Über Grenzen
der amtlichen Detailfreudigkeit kann man schon streiten. Dass er aber
im Mannheimer Gerichtshof fotografiert werden konnte, dafür gab es
wohl keine Rechtsgrundlage. Musste die lange U-Haft überhaupt sein?
Stellte die denkbare Ausreise des Schweizer Staatsbürgers in die
Schweiz wirklich eine Fluchtgefahr dar? Und als dann in Magazinen so
etwas wie ein Vor-Prozess geführt wurde und Säulen der Anklage ins
Wanken gerieten - war da noch ein hartnäckiges Festhalten am
Haftbefehl gerechtfertigt? Schließlich die Rolle der Anwälte: Hätten
sie nicht früher Haftbeschwerde einlegen können, anstatt Medien zu
instrumentalisieren? Kachelmann ist eine Person in der
Öffentlichkeit. Als solche muss er dulden, dass das Publikum erfährt,
wenn ihm ein strafrechtlich schwerwiegender Vorwurf gemacht wird.
Aber Kachelmann hat auch ein Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit.
Im Gegensatz zu einer früheren Partnerin, die ihre Sicht der Dinge
auf Illustriertenseiten ausbreiten konnte, saß Kachelmann hinter
Gittern. Und konnte sich nicht gegen die Schilderung von intimen
Dingen wehren, die, solange sie einvernehmlich unter erwachsenen
Menschen geschehen, Privatsache sind. Wie auch immer das Verfahren
gegen Kachelmann ausgeht: Den Moderator, der auf allen Kanälen mit
bubenhafter Unbekümmertheit die Wetternachrichten ins Fernsehen
bringt, wird es nicht mehr geben. Irgendwas, weiß der Volksmund,
bleibt hängen. Das gilt ebenso für die Frau, die vor ihrer Anzeige
gegen Kachelmann nur in einem begrenzten lokalen Rahmen öffentlich
war. Beide haben schon vor Prozessbeginn verloren - egal, wer am Ende
Recht bekommt.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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