BERLINER MORGENPOST: Der Duisburger Oberbürgermeister und die Love-Parade-Katastrophe
Geschrieben am 29-07-2010 |
Berlin (ots) - Morgen wird in Duisburg der Trauergottesdienst für
die 21 Toten und vielen Hundert Verletzten der Love Parade 2010
stattfinden. Jeder, der in Duisburg trauert, jeder, der etwas gilt in
der Stadt, wird anwesend sein. Alle, nur der Oberbürgermeister Adolf
Sauerland nicht. Um die "Gefühle der Angehörigen" nicht zu verletzen
und "mit seiner Anwesenheit nicht zu provozieren", werde er der
Veranstaltung in der Salvatorkirche fernbleiben, sagte er einer
Zeitung. Schon als er am Tag danach Blumen am Ort der Tragödie
niederlegen wollte, wurde er ausgebuht und musste, flankiert von
Leibwächtern, aus dem Tunnelbereich fliehen. Seine Familie, so heißt
es, habe inzwischen Duisburg verlassen - aus Angst vor Übergriffen.
Sauerland selbst soll Morddrohungen erhalten haben. Aber
zurücktreten, das will er weiterhin nicht. Man müsse sich Zeit
nehmen, "die schrecklichen Ereignisse aufzuarbeiten", sagt er. Und
alle fragen sich: Warum nur klebt der Mann so sehr an seinem Amt?
Eine katastrophale Fehlplanung, die zu 21 Todesopfern führte, eine
Stadt, die ihr gewähltes Oberhaupt vom Tatort jagt - was muss denn
noch passieren, bis dieser Oberbürgermeister einen Rücktritt erwägt?
Denn natürlich trifft ihn eine Schuld. Bislang noch keine juristische
Schuld. Die muss vor Gericht geklärt werden. Aber eine moralische
Schuld belastet ihn längst. Als oberster Verwaltungschef seiner Stadt
läuft bei ihm alles zusammen. Und es gab genug Warnungen aus eigenen
Behörden. Hat er sie überhört? Dann hat er versagt. Hat er sie gar
beiseitegewischt? Dann erst recht. Wir leben in einer merkwürdigen
Zeit. In den letzten Monaten haben wir so viele politische Rücktritte
erlebt, die wir nicht wirklich verstanden haben. Der Bundespräsident
verabschiedete sich Hals über Kopf, bis heute weiß niemand genau, was
Horst Köhler dazu bewogen hat. Er reitet jetzt mit seiner Frau auf
Norderney und lässt lediglich wissen, er sei mit sich selbst im
Reinen. Roland Koch entdeckte plötzlich das Private, Ole von Beust
seine time to say goodbye. Und das sind längst noch nicht alle
Amtsfluchten. Aber für all die Dinge, die wirklich die Welt oder das
Land erschüttert haben - von Finanzkrise bis Bahn-Chaos -, da hat
keiner seinen Hut genommen. Adolf Sauerland ist in Gefahr, zu einer
Symbolfigur für eine politische Klasse zu werden, die ihren
moralischen Instinkt zunehmend verliert. Dieser Oberbürgermeister
wollte die Love Parade um jeden Preis in seiner Stadt haben. Wäre
alles gut gegangen, hätte man ihn dafür gefeiert. Aber es kam anders,
sehenden Auges offenbar. Nun muss er auch die Verantwortung für die
Katastrophe mittragen - und seinen Schreibtisch räumen. Am Sonnabend
trauert eine Stadt um ihre Toten. Alle kommen. Nur einer nicht: der
Oberbürgermeister. Weil er sich vor seinen wütenden Bürgern
verstecken muss. Auch das ist Deutschland im Sommer 2010.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
281642
weitere Artikel:
- Rheinische Post: Die Rückkehr des Arbeitszimmers Düsseldorf (ots) - Kommentar von Antje Höning
Mit seinem Arbeitszimmer-Urteil stellt das Verfassungsgericht der
Steuerpolitik der früheren großen Koalition erneut ein miserables
Zeugnis aus. Schon deren Neuregelung der Pendlerpauschale hatten die
Richter als verfassungswidrig verurteilt. Gleiches stellen sie nun
für die Einschränkung der Absetzbarkeit von Arbeitszimmern fest. Der
Tenor beider Urteile ist gleich: Der Staat darf nicht willkürlich
steuerpolitische Grundprinzipien außer Kraft setzen, nur weil er
klamm ist und mehr...
- Neue OZ: Kommentar zum Urteil zu Arbeitszimmern Osnabrück (ots) - Schallende Ohrfeige
Dieses Urteil ist eine weitere schallende Ohrfeige für den
Gesetzgeber. Wie schon im Fall der als verfassungswidrig gekippten
neuen Pendlerpauschale und der falsch berechneten Hartz-IV-Sätze
drängen die Karlsruher Richter nun auch beim Thema Arbeitszimmer auf
eine Korrektur.
Aufs Neue wird damit eine bedenkliche Entwicklung offengelegt:
Allzu viele Gesetze werden in Berlin mit heißer Nadel gestrickt.
Sogar Grundrechte wie im aktuellen Fall das Gebot der
Gleichbehandlung aller Bürger mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Russland/Geheimdienste/FSB Osnabrück (ots) - Rückschritt für Russland
Der Einzige, der Wladimir Putin für einen lupenreinen Demokraten
hält, ist wohl Gerhard Schröder. Zumindest tat der Exkanzler dies vor
sechs Jahren öffentlich kund - kurz bevor er seine
Post-Polit-Karriere beim russischen Energieriesen Gasprom fein
säuberlich einfädelte.
Die Ära Schröder ist passé, aber der bittere Nachgeschmack seiner
ebenso anbiedernden wie grundfalschen Äußerung bleibt. Putin ist
beileibe kein Demokrat und sein zwar milderer, prinzipiell aber
ähnlich rigoroser mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Mexiko /Gesetz gegen illegale Einwanderer blockiert Osnabrück (ots) - Grenze zu Mexiko besser sichern
Das Gesetz von Arizona gegen illegale Einwanderung verfolgt ein
richtiges Ziel, aber mit unglücklichen Mitteln. Der Zustrom von kaum
qualifizierten und billigen Arbeitskräften aus Mexiko frustriert
viele US-Bürger zunehmend. In den betroffenen Bundesstaaten wie
Arizona wächst zudem die nicht unbegründete Angst, dass der in Mexiko
tobende Drogenkrieg über die Grenze schwappen könnte. Ein Konflikt,
in dem in den vergangenen drei Jahren über 25 000 Menschen starben.
Hinter dem mehr...
- Heute im RTL Nachtjournal: Sommerinterview mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle Köln (ots) - 29.07.10 Außenminister Guido Westerwelle stellte sich
heute im RTL-Sommerinterview in Berlin den Fragen von
"Nachtjournal"-Moderator Christof Lang. Der FDP-Chef äußerte sich
dabei unter anderem über den Anteil der Bundesregierung am
wirtschaftlichen Aufschwung, die Rolle der Türkei für die EU, die
Entwicklung der Gesundheitspolitik sowie zu aktuellen Umfragewerten.
Außenminister Guido Westerwelle über den aktuellen
wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland: Noch wichtiger als die
Gewinne sind die hervorragenden mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|