Mindener Tageblatt: Kommentar zu Afregung um Sarrazin / In eigenem Interesse
Geschrieben am 30-08-2010 |
Minden (ots) - Eines muss man Thilo Sarrazin lassen: Von Reklame
versteht er etwas. Noch bevor sein Buch überhaupt auf den Markt kam,
war der Bundesbank-Vorstand und Ex-Finanzsenator mit seinen
provokanten Thesen schon in aller Munde. Jeder hatte eine Meinung
dazu, auch ohne zu wissen, was drin stand. Pünktlich zum
Verkaufsstart erreicht die von Sarrazin mit strategisch platzierten
Interviews gezielt angeheizte öffentliche Debatte den kühl
kalkulierten Höhepunkt; Parteivorsitzende und die Bundeskanzlerin
fühlen sich genötigt, das Wort zu ergreifen. Womöglich sieht sich der
Bundespräsident mit dem historisch bislang beispiellosen Begehr des
Bundesbankpräsidiums auf Entfernung eines der ihren aus dem Amt
konfrontiert. Die ganze Aufregung wäre nicht erklärlich, rührte
Sarrazin nicht demonstrativ an vermeintliche Tabus, die die so
genannte politische Korrektheit lange Zeit um gesellschaftliche
Fehlentwicklungen im Gefolge der Einwanderung herum errichtet hatte.
Dass man Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit so nicht einhegte,
sondern deren Nährboden in bestimmten Milieus eher noch düngte, ist
inzwischen bekannt. Doch sind die Zeiten des Augenverschließens und
Nichtansprechens ohnehin vorbei, gibt es mittlerweile eine durchaus
verantwortungsvolle Debatte über Migration und Integration, ihre
Folgen und Voraussetzungen, Chancen und Risiken. Die Tabus sind
weitestgehend gefallen, sodass man schon den Holzhammer herausholen
muss, um noch als Provokateur höchstmöglichen Verkaufserfolg erzielen
zu können. Das tut Sarrazin lustvoll. Dabei vermischt er statistisch
unleugbare Fakten und zutreffende Situationsanalysen mit dubioser
Genmythologie, was ihm zu Recht den Vorwurf einträgt, auf
rassistischer Grundlage zu argumentieren. Zur Integrationsdebatte,
die dieses Land nötiger hat denn je, hat Sarrazin auf diese Art
nichts beizutragen. Er ist mit anderen Zielen unterwegs: seinen
persönlichen.
Originaltext: Mindener Tageblatt
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Pressekontakt:
Mindener Tageblatt
Christoph Pepper
Telefon: (0571) 882-/-248
chp@mt-online.de
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