Südwest Presse: Kommentar zum Thema Missbrauch
Geschrieben am 31-08-2010 |
Ulm (ots) - Die neuen Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz
markieren eine Zäsur. Nach Monaten der Beratung und der Diskussion
stellte gestern der Missbrauchsbeauftragte der katholischen Kirche,
Bischof Stefan Ackermann, jene Vereinbarungen vor, die ab sofort für
Priester, kirchliche Mitarbeiter und Ehrenamtliche gelten. Sexuelle
Gewalt von Priestern und kirchlichen Mitarbeitern soll damit so weit
möglich verhindert, im Falle einer Straftat zwingend geahndet -
keinesfalls jedoch mehr unter den Tisch gekehrt werden. Damit erhofft
sich das Bischofskollegium einen Schritt aus der Defensive. Die neuen
Leitlinien präzisieren, was bei der früheren Vereinbarung aus dem
Jahr 2002 noch im Ungefähren geblieben ist. So regeln sie
beispielsweise eine verbindliche Anzeigepflicht, die nur in wenigen -
und dann genau dokumentierten - Ausnahmefällen aus Gründen des
Opferschutzes unterlaufen werden darf. Die Bischöfe tun gut daran,
dem Schutz möglicherweise minderjähriger Opfer oberste Priorität
einzuräumen. Kinder beziehungsweise deren Eltern wissen in der Regel
am besten, wie viel Öffentlichkeit sie nach einem Missbrauch ertragen
können. Eine Schutzklausel für Täter ist das nicht. Die Bischöfe
garantieren, aufs Engste mit staatlichen Behörden zu kooperieren. Das
Bemühen unter Einbindung weltlicher Experten, Lehren aus der düsteren
Vergangenheit zu ziehen, ist den Leitlinien deutlich zu entnehmen. Um
sie wurde gerungen - darauf deutet der lange Abstimmungsprozess -
auch wenn ihnen am Ende alle Bistümer zustimmt haben. Die Frage ist
nun: Reichen die Vorkehrungen aus, Vertrauen von Gläubigen und
Kirchenfernen in die Institution Kirche wieder aufzubauen? Da bleiben
Zweifel. In der Vergangenheit führte ja weniger die Unsicherheit
darüber, wann die Justiz einzuschalten ist oder nicht, zu
weitverbreitetem Vertuschen und Verdrängen der Verbrechen an Kindern.
Es lag viel mehr an der fehlenden Einfühlung in die Opfer, die unter
sexuellem Missbrauch oft ein Leben lang leiden. Und an falscher
Loyalität. Das Ansehen der Kirche wurde geschützt, nicht das Kind,
geschweige denn potenzielle weitere Opfer. Deshalb wurden Täter in
aller Stille versetzt und die Ohren verschlossen, wenn wieder einmal
über einen Kollegen oder Mitbruder gemunkelt wurde. So wurde das
Wegschauen zum System - und Kirche und Orden zu Täterorganisation.
Das System des Wegschauens knacken die neuen Richtlinien nur bedingt.
Die Kultur des Hinhörens muss aus dem Inneren der Kirche kommen. Dazu
braucht es neben der Einsicht in die Schwere der Verbrechen, eine
Sprache über Sexualität, um einen Verdacht benennen oder mit Opfern
wirklich sprechen zu können, und Mut, der nicht vor der
Kirchenhierarchien endet. Kurz: ein neues Verständnis von Kirche
insgesamt. Nicht das Kirchenamt verleiht im Sinne des Evangeliums
Autorität. Es ist der Dienst am Menschen, der über allem steht. Der
Umgang mit Schwachen wie Kindern und Opfern sagt entscheidendes über
den Zustand der Kirche aus. Deshalb ist mit dem gestrigen Tag der
Sühneweg der katholischen Kirche nicht zu Ende. Sie wird sich an
Taten gegenüber den Geschädigten messen lassen müssen. Deshalb gehört
die Entschädigungsfrage nun schnell auf den Tisch. Mit ihr kann die
katholische Kirche Maßstäbe setzen. Denn im Gegensatz zum staatlichen
Bereich kennt das Evangelium keine Verjährungsfrist. Der Hinweis auf
verstorbene oder heute demente Täter nimmt die Institution nicht aus
der Pflicht. Insofern sind die neuen Leitlinien der katholischen
Kirche kein Befreiungsschlag. Sie sind ein Schritt auf dem Weg der
Buße, der theologisch auch Umkehr heißt. Weitere Etappen müssen
folgen.
Originaltext: Südwest Presse
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Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
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