BERLINER MORGENPOST: Erst denken, dann reden - Leitartikel
Geschrieben am 04-09-2010 |
Berlin (ots) - Wenn in der Vergangenheit auch nur halb so intensiv
über die Integration von Migranten nachgedacht, diskutiert und dann
auch noch gehandelt worden wäre wie in den vergangenen Tagen über die
Thesen Thilo Sarrazins, dann wären wir weiter in diesem Land. Doch
einmal mehr haben die Erregungsrituale über das Nachdenken obsiegt.
Von Thilo Sarrazin bis hin zu den höchsten Repräsentanten des Staates
gaben zu viele ihre Meinung zum Besten, ohne die Konsequenzen ihrer
Worte vorab zu wägen. Was den Bundespräsidenten bewogen hat, in einem
Interview der Bundesbank zu bescheinigen, dass sie im Fall Sarrazin
"einiges tun kann, damit die Diskussion Deutschland nicht schadet",
bleibt sein Geheimnis. Seit dieser zumindest indirekten Aufforderung,
ihren Vorstandskollegen vor die Tür zu setzen, ist das
Staatsoberhaupt kein neutraler Notar mehr. Der aber müsste er von
Amts wegen sein. Hätte er vorher etwas länger nachgedacht, hätte er
sich weder juristisch (falls Sarrazins klagt) noch politisch in
Bedrängnis gebracht. Dann die Bundeskanzlerin. Ohne Not hat auch sie
die Bundesbank unter massiven Handlungsdruck gesetzt, als sie ähnlich
wie der Bundespräsident schon vor diesem möglichen Schaden durch
Sarrazin im Ausland konstatierte. Damit hat sie leichtfertig die seit
Jahrzehnten beschworene Unabhängigkeit der deutschen Notenbank von
politischen Einflüssen aufs Spiel gesetzt. Hätte sie ein bisschen
länger nachgedacht, hätte Frau Merkel auf die vermutlich richtige
Idee kommen können, dass die Bundesbank auch ohne jeden Druck von
außen froh gewesen sein könnte, endlich Gründe für die Abschiebung
ihres von Anfang an ungewollten Kollegen gefunden zu haben. Dabei
sind wir beim Nächsten, der besser hätte nachdenken sollen: Hätte
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit nur auf die Einwände
der Banker aus Frankfurt gehört, dann wäre Sarrazin gar nicht erst
befördert worden. Denn dass der in der Frankfurter Top-Etage
plötzlich zum Kreidefresser wird, dürfte gerade Wowereit schwerlich
erwartet haben. Schließlich wäre gründliches Nachdenken auch Thilo
Sarrazin zu wünschen gewesen. Wäre er vor seinen Verirrungen in
Hirnforschung und Genetik noch einmal mit sich selbst ins Gericht
gegangen, hätte er dieses Minenfeld gemieden. Das hätte alle
Aufmerksamkeit auf sein zentrales Anliegen gelenkt. Wie recht er mit
diesem hat, zeigt die Reaktion in den Meinungsumfragen. Doch Sarrazin
hat insbesondere in seinen Auftritten nach der Buchveröffentlichung
Streit und Provokationen überzogen. Die glaubwürdige Rolle eines
souveränen Bundesbankers kann ihm ernsthaft keiner mehr abnehmen. Er
hat sich selbst verabschiedet. Nachdem alle Beteiligten, statt
nachzudenken, zu kurz gedacht haben, bleibt jetzt zumindest die
Hoffnung, dass Integration nicht länger schöngeredet, sondern auf
eklatante Fehlentwicklungen endlich konkret reagiert wird. Sarrazin
hat die Defizite noch einmal klar definiert. Das bleibt - bei aller
Kritik - sein Verdienst.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
287591
weitere Artikel:
- IFA-Pressetermin/ Rundgang mit BUND: Blauer Engel für energieeffiziente Fernseher gefordert Berlin (ots) -
Sperrfrist: 05.09.2010 10:10
Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der
Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist.
Anlässlich der Internationalen Funkausstellung IFA in Berlin haben
der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Jury
des Umweltzeichens Blauer Engel die Fernsehgerätehersteller
aufgefordert, ihre energieeffizientesten Geräte mit dem
Klimaschutzzeichen des Bundesumweltministeriums zu kennzeichnen.
Plasma- und LCD-Fernseher gehörten mit zu den größten mehr...
- Atomkraftwerke aus der Luft bedroht/ Neuer Greenpeace-Bericht: Flugsicherheitsstandards völlig unzureichend Hamburg (ots) - Deutsche Atomkraftwerke sind auch neun Jahre nach
dem Terroranschlag am 11. September 2001 in New York noch immer
völlig unzureichend gegen einen möglichen Angriff aus der Luft
geschützt. Zu diesem Ergebnis kommt ein aktueller Bericht von
Greenpeace. Der Bericht bewertet zahlreiche öffentlich bekannt
gewordenen Sicherheitspannen bei Passagier- und Personalkontrollen
auf deutschen Flughäfen und nur knapp vereitelte Anschläge in
Flugzeugen seit dem Jahr 2002. Auch Gegenmaßnahmen wie so genannte
Sky-Marshalls und mehr...
- Pressestatement von Gregor Gysi zum Atomgipfel der Koalition am 05.09.2010, 14:30 Uhr, vor dem Kanzleramt Berlin (ots) - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Koalitionsspitzen treffen sich heute im Kanzleramt, um über
die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke zu entscheiden. Der
Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi gibt dazu ein Statement ab.
Pressestatement
von Gregor Gysi 05.09.2010, 14:30 Uhr vor dem Kanzleramt
Zu diesem Statement lade ich Sie herzlich ein.
Mit freundlichen Grüßen
Hendrik Thalheim
Originaltext: DIE LINKE
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/41150
Pressemappe mehr...
- Terminkorrektur: Pressestatement von Gregor Gysi am 05.09.2010, 13:45 Uhr, vor dem Kanzleramt Berlin (ots) - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Koalitionsspitzen treffen sich heute im Kanzleramt, um über
die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke zu entscheiden. Der
Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi gibt dazu heute bereits um 13.45 Uhr
ein Statement vor dem Kanzleramt ab.
Mit freundlichen Grüßen
Hendrik Thalheim
Originaltext: DIE LINKE
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/41150
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_41150.rss2
Pressekontakt:
Hendrik Thalheim mehr...
- LVZ: Sorge um neues Energiediktat und um weitere Kohleverstromung in der Unionsfraktion Leipzig (ots) - Der für Forschung zuständige stellvertretende
CDU/CSU-Fraktionschef Michael Kretschmer hat für die Zukunft vor
einer "einseitigen Abhängigkeit" der deutschen Stromkunden von den
erneuerbaren Energien gewarnt. Gegenüber der "Leipziger Volkszeitung"
(Montag-Ausgabe) befürchtet Kretschmer die Gefahr "eines
Preisdiktates" und einer "Energieabhängigkeit vom Ausland", wenn, wie
im Energiekonzept der Regierung vorgesehen, spätestens ab 2050 auf
die heimischen Energieträger Atom, Braunkohle und Steinkohle
verzichtet werden mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|