Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Erika Steinbach:
Geschrieben am 09-09-2010 |
Bielefeld (ots) - Wer noch Zweifel daran hatte, dass die Union ein
Problem mit sich selbst hat, dem lieferte Volker Kauder gestern den
Beweis. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion erklärte mehrfach,
dass es für CDU und CSU keinen Zweifel an der Schuld der Deutschen am
Zweiten Weltkrieg gebe. Das ist ein Vorgang, über den man etwas
länger nachdenken sollte: Der Vertreter einer Partei in der Tradition
von Vorkämpfern der europäischen Einigung wie Konrad Adenauer und
Helmut Kohl hält es für notwendig, das In- und Ausland einer
Selbstverständlichkeit der bundesdeutschen Politik seit Kriegsende zu
versichern. Zu verdanken hat die Union diesen Skandal zum einen Erika
Steinbach, die zwei Mitglieder des Bundes der Vertriebenen pauschal
in Schutz nimmt. Dabei wäre es nicht nur in diesem Fall ihre Aufgabe
gewesen, Revisionismus aus den eigenen Reihen zurückzuweisen und
zweideutige Äußerungen zur deutschen Geschichte zu unterbinden.
Besonders schwer wiegt Steinbachs Versäumnis, weil die umstrittenen
Aussagen auch noch von Funktionären kommen, die als Mitglieder für
den Beirat der Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« benannt
sind. Wer es gut mit ihr meint, mag den Grund für das Verhalten der
67-Jährigen in falsch verstandener Loyalität zu dem von ihr geführten
Verband sehen. Recht nahe liegt jedoch auch der Gedanke an eine
gezielte Provokation in Richtung Polen. Zu tief waren die
Verletzungen, die ihr von dort bei der Auseinandersetzung über den
Stiftungsbeirat zugefügt wurden. Solches Kalkül ist Erika Steinbach
allerdings derzeit nicht nachzuweisen. Die Mitschuld der Union wird
durch die kolportierte Forderung Steinbachs in der Klausurtagung
deutlich, man müsse sich vor die Vertriebenenfunktionäre stellen,
weil diese doch CDU-Mitglieder seien. Zu lange hat die Union genau
diese Sichtweise gepflegt, hat den Bund der Vertriebenen verteidigt,
auch wenn die Äußerungen mancher Vertreter historisch unhaltbar
waren. Zu groß war die Sorge um Wähler, die man in großer Zahl hinter
diesem Verband wähnte, obwohl jener längst mit Mitgliederschwund zu
kämpfen hat und beileibe nicht mehr als Sprachrohr aller Vertriebenen
angesehen werden kann. Die Abkehr von dieser Haltung ist in der CDU,
die Kanzlerin Merkel so gerne mit den Attributen modern, weltoffen
und familienfreundlich versehen möchte, schon einige Zeit zu
beobachten. Doch kommuniziert bis in die letzte Ortsunion ist dieser
Kurswechsel nicht. Insofern hat Steinbach Recht mit ihrer
Einschätzung, im Vorstand eine Alibifunktion zu erfüllen. Die
Auseinandersetzung mit der Funktionärin über den Revanchismus in
ihrem Verband könnte die Klärung des Richtungsstreits zwischen
Konservativen und Modernisierern in der Union beschleunigen. Welches
Bild CDU und CSU danach abgeben werden, ist ungewiss. Die deutsche
Kriegsschuld jedoch, die wird bleiben.
Originaltext: Westfalen-Blatt
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Telefon: 0521 - 585261
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