Börsen-Zeitung: Alternativlos, Kommentar zur Megakapitalerhöhung der Deutschen Bank von Bernd Wittkowski
Geschrieben am 13-09-2010 |
Frankfurt (ots) - So flüchtig ist Kapital, namentlich
Eigenkapital: Noch Ende 2009 verfügte die Deutsche Bank über ein
ungenutztes Polster von 7 Mrd. Euro. Jetzt braucht sie eine
Megakapitalerhöhung von rund 10 Mrd. Euro. Allein 7,7 Mrd. Euro
erfordern die Mehrheitsübernahme und Konsolidierung der bisher
vergleichsweise deutlich unterkapitalisierten Postbank sowie die
Wertkorrektur auf die bisherige Beteiligung an dem Retailriesen. Die
vermeintlich üppige Kapitalreserve ist zwischenzeitlich unter anderem
für die Übernahme von Sal. Oppenheim und Teilen von ABN Amro
draufgegangen. Josef Ackermann & Co. sind die neuen Töchter offenbar
nicht nur lieb, sondern vor allem auch teuer. Für den strammen
Expansionskurs werden die Aktionäre des Branchenprimus entsprechend
kräftig zur Ader gelassen.
Dass an der Deutschen Bank - längst auch global - so leicht keiner
vorbeikommt, zeigt Deutschlands führender Geldkonzern auch bei der
Eigenkapitalbeschaffung. Zentralbankgouverneure und Aufsichtschefs
hatten in Basel noch nicht zu ihren Schlussverhandlungen Platz
genommen und manche internationalen Konkurrenten wohl noch nicht mal
mit dem Rechnen angefangen, da war die Emission des - also auch in
dieser Hinsicht - Marktführers fest bei einem Konsortium
untergebracht. Hut ab!
"First Mover"
Der große Schluck aus der Kapitalmarktpulle ist zwar nur zum
kleineren Teil durch die neuen Eigenkapitalregeln motiviert. An ein
rein zufälliges Zusammentreffen der Verabschiedung von Basel III und
des Postbank-Übernahmeangebots, mit dem sich die Deutsche bis 2012
hätte Zeit lassen können, sollte man aber auch nicht glauben. Nicht
nur nach eigener subjektiver Einschätzung, sondern auch nach den
Erwartungen der Aufseher wird die Bankenwelt Hunderte Milliarden Euro
an neuem harten Kapital aufnehmen müssen, um den verschärften
regulatorischen Anforderungen zu entsprechen. Wer da als Nummer 57
auf seine Anteilseigner zugeht, läuft nicht nur Gefahr, als
Spätmerker dazustehen. Die Schlafmützigkeit kann vielmehr auch
richtig ins Geld gehen, weil irgendwann der Markt verlaufen sein
dürfte und für neue Bankaktien dann im günstigen Fall zumindest
höhere Kursabschläge in Kauf zu nehmen sein werden. Bis dahin hat der
"First Mover" Deutsche Bank wahrscheinlich die nächsten fünf
Akquisitionen abgeschlossen.
Strategisch gibt es an der Übernahme des deutschen "Banken-Aldi"
wenig zu deuteln, auch wenn die 6,3 Mrd. Euro für 100% der Anteile,
entsprechend 115% des Buchwerts, zumal in Krisenzeiten als
sportlicher Preis erscheinen (nebenbei: beim Einstieg der Blauen bei
den Blau-Gelben mit knapp 30% vor zwei Jahren, exakt drei Tage vor
dem Lehman-Bankrott, hatte sich eine Bewertung von 9,4 Mrd. Euro
errechnen lassen).
Preiswert oder auch nicht
Nach einem anderen Bewertungsmaßstab wirkt die Postbank dagegen
auf den ersten Blick ausgesprochen preiswert: Jeden ihrer 14
Millionen Kunden lässt sich die Deutsche 450 Euro kosten, nachdem sie
2006, also vor der Krise, beim Kauf der Norisbank 1257 Euro und beim
Erwerb der Berliner Bank (mit einer vermögenderen Klientel) sogar
2127 Euro pro Kunde auf den Tisch geblättert hatte. Der zweite Blick
zeigt indes, dass gerade bei den Kundenzahlen ein paar
Wertberichtigungen abzusetzen sind. Die eigentlich interessante Zahl
ist die der Kunden mit dem Ankerprodukt Girokonto. Das sind 4,9
Millionen. Dann kommt man auf 1280 Euro pro Kunde, was nicht mehr so
günstig ist. So gesehen relativiert sich auch die Gesamtkundenzahl
des neuen Gespanns von 24 Millionen im Inland deutlich. Sparkassen
und Kreditgenossen, die mit ihren 50 Millionen bzw. 30 Millionen
Kunden freilich auch nicht nur Erstbankverbindungen unterhalten,
müssen mithin noch nicht in Ehrfurcht erstarren.
Gleichwohl ist die Transaktion für ein Haus mit nationalem und
internationalem Führungsanspruch, um ein in der Politik beliebtes
Modewort zu gebrauchen, "alternativlos". Die Postbank ist auf
absehbare Zeit die letzte Akquisitionschance, um am allen
anderslautenden Klageliedern zum Trotz attraktiven deutschen
Retailmarkt auf einen Schlag in eine neue Dimension vorzustoßen.
Damit hilft sich die Deutsche Bank vor allem auch insofern selbst,
als sie ihr stabiles Standbein (neben dem volatilen Spielbein
Investment Banking) deutlich stärkt. Die mittelfristig für den
Bereich Privat- und Geschäftskunden (PBC) inklusive Postbank
angepeilten Erträge von über 10 Mrd. Euro entsprechen nahezu einer
Verdoppelung des entsprechenden Werts von 2009 für die Deutsche Bank
allein, das Ergebnisziel von über 3Mrd. Euro vor Steuern (inklusive
spätestens 2015 erwarteter Synergien von 1 Mrd. Euro pro Jahr) dem
Doppelten der bisherigen Vorgabe für "PBC alt" in 2011. Damit kämen
die ertragsstabilen Geschäftsfelder insgesamt in der Erfolgsrechnung
schon ziemlich nah an das Investment Banking heran.
Das Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25% mag auf der neuen
regulatorischen Kapitalbasis zu adjustieren sein. In absoluter
Rechnung wird das Ertrags- und Ergebnispotenzial der Deutschen Bank
durch den Postbank-Deal spürbar wachsen.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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