Reserveantibiotika nur im Ausnahmefall verschreiben
Geschrieben am 15-09-2010 |
Berlin (ots) - Fast jedes zweite Antibiotikum, das in Deutschland
verordnet wird, ist ein Reserveantibiotikum. Darauf hat das
Wissenschaftliche Institut der AOK am Dienstagabend in der
ARD-Sendung "Plusminus" hingewiesen. "Reserveantibiotika sollten
nicht zur Therapie bei normalen Infektionen wie zum Beispiel
Erkältungen eingesetzt werden", so Helmut Schröder vom WIdO. "Sie
sind - wie der Name sagt - die eiserne Reserve bei schweren
Erkrankungen. Je sorgloser sie eingesetzt werden, desto resistenter
werden Bakterien gegen Antibiotika." Das WIdO hat bereits 2001 in
einer Antibiotika-Studie auf diese Gefahr hingewiesen. "Die aktuellen
Verordnungszahlen belegen, dass diese Warnung leider immer noch
aktuell ist", betont der stellvertretende Geschäftsführer des WIdO.
Das WIdO analysiert jährlich mehr als 700 Millionen
Arzneimittelverordnungen für die gesetzliche Krankenversicherung. Die
Analyse der Antibiotika-Verschreibungen ergab, dass inzwischen in
46,5 Prozent der Fälle ein Reserveantibiotikum eingesetzt wird.
"Therapiert werden sollte mit Reserveantibiotika jedoch nur dann,
wenn Standardantibiotika nicht mehr helfen", so Helmut Schröder. "Die
goldene Regel beim Verordnen von Antibiotika lautet: So wenig wie
nötig und so gezielt wie möglich. Nur so kann sichergestellt werden,
dass die zukünftigen Therapiechancen eines Antibiotikums nicht
leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden."
In Deutschland wurden laut WIdO im vergangenen Jahr insgesamt 40,6
Millionen Antibiotikaverordnungen im Gegenwert von knapp 760
Millionen Euro verschrieben. Die meisten Antibiotika je Arzt
verschreiben Urologen, gefolgt von Kinderärzten, Hausärzten und
Hals-Nasen-Ohren-Ärzten.
Im Schnitt hat jeder gesetzlich Krankenversicherte über einen
Zeitraum von 5,2 Tagen eine Antibiotika-Therapie erhalten. Rein
rechnerisch hat jedes Kind bis zum Alter von zehn Jahren über sechs
Tage Antibiotika bekommen. Bei mehr als drei Millionen Kindern
dauerte die Behandlung sogar zwei Wochen. "In Deutschland werden
Kinder dreimal so häufig bei Mittelohrentzündung mit Antibiotika
behandelt wie in den Niederlanden, obwohl dies nach Ansicht von
medizinischen Experten keinen Vorteil bringt", erläutert Helmut
Schröder.
Studien zeigen, dass bei Erkältungen in 80 Prozent der Fälle
Antibiotika verschrieben werden, obwohl Bronchitis oder
Rachenentzündungen zu mehr als 80 Prozent durch Viren verursacht
werden.
Durch intensiven Einsatz von Antibiotika entwickeln Bakterien
Resistenzen gegen einzelne Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen. Für diese
zunehmende Resistenz sind nach Darstellung des
Bundesgesundheitsministeriums hauptsächlich der unsachgemäße Einsatz
von Antibiotika sowie die inkonsequente Anwendung von Empfehlungen
zur Prävention von Infektionen verantwortlich. Die zunehmenden
Resistenzen erschweren laut Ministerium bereits die Behandlung von
bakteriellen Infektionskrankheiten.
Basierend auf den Ergebnissen der Antibiotika-Studie hat das WIdO
2005 gemeinsam mit der Stiftung Warentest Empfehlungen für
Versicherte zum Umgang mit Antibiotika zusammengestellt. Die
Informationen haben nichts an Aktualität verloren.
Der Beitrag "Weniger ist mehr" steht auf der Website der Stiftung
Warentest kostenlos zum Download zur Verfügung:
http://www.presseportal.de/go2/Behandlung_Antibiotika
Aktuelles Informationsmaterial des WIdO:
http://wido.de/arz_antibiotika.html
http://www.aok-bv.de/presse/pressemitteilungen/2010/index_04614.html
Originaltext: Wissenschaftliches Institut der AOK
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/32063
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_32063.rss2
Pressekontakt:
Wissenschaftliches Institut der AOK
Helmut Schröder
Tel.: 030-34646-2393
Fax: 030-34646-2144
helmut.schroeder@wido.bv.aok.de
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