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Börsen-Zeitung: Berliner Blockaden, Kommentar zu den Reformbaustellen der Bundesregierung von Stephan Lorz

Geschrieben am 20-09-2006

Frankfurt (ots) - Man muss sich nicht wundern, wenn die
Bevölkerung mehr und mehr auf Abstand zu den etablierten Parteien
geht und ihren Unmut etwa durch Wahlenthaltung kundtut, wie die
jüngsten Urnengänge zeigen. Denn von den großen Reformvorhaben, die
nach dem Motto "Große Koalition - große Lösungen" in der
Koalitionsvereinbarung niedergelegt wurden, ist bisher nur der
Föderalismus erfolgreich modernisiert worden. Bei den anderen
Reformbaustellen hat man nur das Feld abgesteckt und belauert sich
seither gegenseitig.

Am weitesten scheint noch die Gesundheitsreform gediehen. Immerhin
gibt es eine Einigung über einige Eckpunkte. Doch wie es bei
Kompromissen eben so ist, wenn zwei Partner mit diametral
unterschiedlichen Vorstellungen zusammenkommen - man kann sich nur
darauf verständigen, nichts zu tun. Davon zeugt der geplante
Gesundheitsfonds, dessen Charme einzig und allein darin besteht, dass
er einer künftigen Regierung alle Optionen offenhält. Dass man sich
damit inzwischen selbst in der Koalition unwohl fühlt, bezeugen die
vielen Querschüsse und letztendlich auch die Verschiebung der Reform.

Auch bei der Reform der Unternehmensbesteuerung wurde vollmundig
ein Traditionsbruch versprochen, der vor dem Hintergrund der hohen
Steuerlast und des Gesetzeswirrwarrs auch nottut. Wissenschaftler
wurden mit der konkurrierenden Erstellung von eigenen Reformkonzepten
beauftragt - die aber nun ignoriert werden, denn das
Bundesfinanzministerium erstellt die Reform mit "Bordmitteln". Die
Reform mutiert zum Reförmchen. Innerparteiliche Streitpunkte wie die
überfällige Einführung einer Abgeltungssteuer, die bei den SPD-Linken
auf Widerstand stößt, werden flugs auf das Jahr 2009 verschoben.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es im Sprichwort, doch zeigt
der Koalitionsstreit um die Arbeitsmarktreform, dass es noch
schlimmer kommen kann: Während die einen eine Lockerung des
Kündigungsschutzes wollen, fordern die anderen einen Mindestlohn für
alle. Beide lehnen die Forderung des jeweils anderen ab. Die Blockade
ist perfekt. Längst haben sich die Koalitionäre in ihre alten
Schützengräben zurückgezogen. Dass die Mehrheit der Deutschen einer
Umfrage zufolge kein Vertrauen mehr in die Problemlösungskompetenz
der Politik hat, ist vor diesem Hintergrund nur allzu verständlich.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=30377
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Rückfragen bitte an:
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Telefon: 069--2732-0


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