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WAZ: Putin in Dresden: Ein Mann mit vielen Gesichtern - Kommentar von Angela Gareis

Geschrieben am 10-10-2006

Essen (ots) - Wladimir Putin hat Deutschland gestern sein
wohlerzogenes Gesicht gezeigt. Staatsmännisch und freundlich
präsentierte sich der russische Präsident an der Seite von
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich in anderer Gesellschaft
vermutlich wohler gefühlt hätte.

Putin hat viele Gesichter, er kann extrem desinteressiert
dreinschauen, während eine grenzenlose Öffentlichkeit entsetzt auf
den Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja reagiert. Er kann
grausam aussehen, wenn er westlichen Journalisten jede Frage nach
Menschenrechten in Tschetschenien verletzend scharf abschneidet. Er
konnte strahlen, als er im Bundestag in kultiviertem Deutsch den
Kalten Krieg beendete.

Putins Gesichter spiegeln die Facetten seines unberechenbaren
Landes. Die einstige Supermacht auf ihrem verwirrenden Weg zwischen
Totalitarismus und Demokratie ist ein enorm schwieriger Partner für
den Westen. Aber ein Partner. Mit ihm umzugehen, erfordert hohe
diplomatische Kunst und vor allem Vorsicht.

Als der staatliche Konzern Gasprom die Ukraine mittels
Energieentzug erpresste und seine Expansionspläne in Europa mit der
Drohung verband, die Gaslieferungen bei Behinderung zu drosseln,
offenbarte Putin seine Strategie, mit Gas und Öl die verlorene Macht
zurückzuerobern. Die russische Wirtschaft wächst im achten Jahr an
den gewaltigen Ressourcen, und sie kauft sich zusehends in Konzerne
des energieabhängigen Europas ein.

Symbol dieser Politik ist die Ostsee-Pipeline, zu deren
Betreiberkonsortium neben Gasprom (51 Prozent) Eon und BASF gehören.
Dass Gerhard Schröder dem Aktionärsrat vorsteht und offenbar auch den
Sponsorenvertrag zwischen Gasprom und Schalke befördert hat, zeigt,
wie kalkulierte Expansion funktionieren kann: langsam über Fußball an
den deutschen Verbraucher herandribbeln und dann direkt beliefern.

Weil Schröder trotz Sehhilfe in Putin einen "lupenreinen
Demokraten" sah und das deutsch-russische Verhältnis mit Zügen einer
Bruderschaft ausstattete, changiert die Politik unter Schwarz-Rot
einer neuen Beziehung entgegen. Politisch distanzierter soll sie
geraten, bei enger werdenden wirtschaftlichen Bindungen. Die
Kanzlerin propagiert die "strategische Partnerschaft" (und wünscht
sich eine Freihandelszone mit den USA), und Außenminister
Frank-Walter Steinmeier verfolgt die "Annäherung durch Verflechtung".
Kein lupenreines Konzept, aber womöglich ein passendes.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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