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Unruhige Zeiten für die Versicherungsbranche Pressebericht zur 6. Handelsblatt Jahrestagung "Assekuranz im Aufbruch" (9. und 10. März 2006, München)

Geschrieben am 17-03-2006

Düsseldorf (ots) - Die Konzentration der Versicherungsmärkte, die
jüngsten Gerichtsurteile des Bundesgerichtshofs sowie des
Bundesverfassungsgerichts und die Marktchancen durch die
EU-Erweiterung waren die Top-Themen der 6. Handelsblatt Jahrestagung
"Assekuranz im Aufbruch" letzte Woche in München. Über 220 Teilnehmer
der Branche diskutierten Strategien, Potenziale und Reaktionen der
Versicherungswirtschaft auf die veränderten Rahmenbedingungen.

Positionen und Perspektiven
Dr. Bernhard Schareck vom Gesamtverband der Deutschen
Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) eröffnete den etablierten
Branchentreff mit einem positiven Resumee: "Die Ertragskraft ist
gestiegen, das Geschäft ist gut ausgebaut und stille Lasten abgebaut.
Die Versicherungswirtschaft hat sich gut behauptet."
Hinsichtlich der Zukunftsaussichten für die deutsche
Versicherungswirtschaft konstatierte der GDV Präsident, dass eine
weitere Industrialisierung der Branche nötig sei. Er verglich die
Situation mit der der Autoindustrie, die Teile ihrer Tätigkeiten an
Dritte abgibt und zahlreiche Zulieferer beschäftigt: "Wir sind halt
heute noch so aufgestellt, dass wir Farmen haben, auf denen wir
Rinder züchten, und aus den Rinderhäuten machen wir die Bezüge für
die Sitze." Das müsse sich ändern. Dennoch führe die Auslagerung von
Betriebsteilen nicht unbedingt zur Verlagerung von Stellen in
Niedriglohnländer. In jedem Fall sei jedoch eine Zunahme von Fusionen
und Übernahmen zu erwarten.

Konsolidierung, Fusionen, Globalisierung
"Nachdem jahrelang der Vorwurf einer zu hohen Konzentration in der
Versicherungswirtschaft thematisiert wurde, die zu Lasten des
Wettbewerbs und damit der Verbraucher gehen könnte, wurde in letzter
Zeit umgekehrt die Vermutung geäußert, dass ein zu geringer
Konzentrationsgrad die Ertragskraft und damit die Stabilität der
Assekuranz in Deutschland gefährden könne", sagt Wolf-Dieter
Baumgartl, Vorstandschef der Talanx AG. Zwar schreite die
Konzentration im deutschen Markt voran, aber eher in einem moderaten
Tempo. "Die Konsolidierung, die seit mehr als 20 Jahren prophezeit
wurde, hat so nie stattgefunden", konstatierte Baumgartl. Zu
beobachten sei aber, dass der Konsolidierungsprozess in anderen
Staaten, wie beispielsweise Frankreich oder Spanien, wesentlich
schneller voran schreite.
Der Vorstandsvorsitzende betonte, dass eine Konzentration der
Versicherungsunternehmen nicht nur Nachteile für Kunden, Versicherer
und Stakeholder nach sich ziehe. Der Trend zu größeren Einheiten
bedeute auch, dass eine Standardisierung der Prozesse erfolgen und
ein breites Produktspektrum angeboten werden könne. Andererseits
seien Innovationen schneller umsetzbar und nicht zuletzt garantiere
die größere Kapitalkraft auch eine Sicherung von Arbeitsplätzen sowie
Planungssicherheit für alle Beteiligten.

Allheilmittel Osteuropa? Welche Wachstumspotenziale sind (noch)
erschließbar?
Dr. Heinrich Focke von der Unternehmensberatung A.T. Kearney erwartet
für den deutschen Versicherungsmarkt im Jahr 2006 ein Prämienwachstum
von lediglich 0,5 Prozent. Wachstumspotenziale böten sich vor allem
in den osteuropäischen Märkten. Die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Stabilisierung der
Währungen, massive Investitionen des Westens, die steigende
Rechtssicherheit und hohe Bevölkerungszahl seien ideale
Vorraussetzungen. "Mit dem zunehmenden Wirtschaftswachstum werden die
anteiligen Ausgaben für Versicherungsleistungen steigen",
prognostizierte Focke. Besonders interessante Segmente seien Auto,
Vorsorge und Gewerbe. Doch hätten "Banken und Versicherungen, salopp
gesagt, diese Entwicklung verschlafen", konstatierte Focke. In Polen,
Tschechien und der Ukraine sei ein Einstieg in den Versicherungsmarkt
nur noch schwer möglich. Potenzial böten derzeit noch Kroatien,
Serbien, Bulgarien und die Ukraine. Besonders in der Ukraine, mit
(noch) nicht verteilten Märkten, sei der Einstieg über eine green
field operation durchaus sinnvoll, so Focke. Wachstumschancen lägen
beispielsweise bei Kfz-Versicherungen, da bislang nur 12 Prozent
aller Fahrzeuge in der Ukraine versichert seien. Auch das Segment
Leben werde weiter wachsen. Ob der Einstieg in die Ostmärkte
letztendlich lukrativ sei, müsse jedoch am Einzelbeispiel geprüft
werden. Von blindem Aktionismus riet der Unternehmensberater zwar ab,
warnte jedoch davor, Marktanteile an die bereits am Markt aktiven
Banken zu verlieren.

Auch Cezary Stypulkowski von der Powszechny Zaklad Ubezpieczen,
sprach über das Marktpotenzial der osteuropäischen Staaten. Ein
besonderes Augenmerk richtete er dabei auf die Rolle der Banken.
Nicht nur, dass die Banken die Bedürfnisse der Kunden gezielter
ansprächen, auch auf operationaler Ebene seien sie sehr viel besser
aufgestellt, wie beispielsweise bei der Nutzung von Web-Technologien.
Osteuropäische Kunden würden zukünftig nicht nur Produkte kaufen,
sondern immer mehr Wert auf Serviceleistungen legen. Banken seien in
den osteuropäischen Staaten derzeit wesentlich besser aufgestellt, um
die Marktchancen dort zu nutzen sagte Stypulkowski abschließend.

Die Auswirkungen der aktuellen Gerichtsurteile
Als "neue Dimensionen des Verbraucherschutzes" bezeichnete Prof.
Wolfgang Römer, Richter am Bundesverfassungsgericht a.D. und
Ombudsmann für Versicherungen, die Urteile des Bundesgerichtshofes
(BGH) vom 12.10.2005 sowie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom
26.7.2005. Alle Urteile sahen in der derzeitigen Ausgestaltung und
Handhabung der Lebensversicherung die allgemeine Handlungsfreiheit
sowie die Eigentumsgarantie verletzt. "Mit dem Urteil zur
Überschussbeteiligung hat das BverfG im wesentlichen ausgeführt, dass
bei der Überschussermittlung der Versicherte seine rechtlich
erheblichen Belange nicht eigenständig verfolgen könne. Hier bestehe
ein Schutzdefizit, das der Gesetzgeber beseitigen müsse", führte
Römer aus. An der Bildung stiller Reserven wären Versicherungsnehmer
bei der Bildung des Schlussüberschusses nicht beteiligt und hätten
darauf auch keinen Einfluss. "Das ist ja klar, denn man kann ja nicht
tausende Versicherungsnehmer einzeln fragen, ob sie damit
einverstanden sind", bemerkte der Ombudsmann pragmatisch. Der
Gesetzgeber sei gefordert, weil er einen Schutzauftrag habe. Demnach
müsse er darauf hinwirken, dass der Versicherungsnehmer an den
stillen Reserven beteiligt würde. Dieser Grundgedanke finde sich auch
bei den Urteilen zur Bestandsübertragung wieder. Da auch hier ein
Einwirken des Verbrauchers nicht gegeben sei, müsse der Gesetzgeber
sicherstellen, dass die durch Prämienzahlungen geschaffenen
Vermögenswerte als Quellen für die Erwirtschaftung von Überschüssen
erhalten blieben. Auch die Forderung nach größere Transparenz der
Abschluss- und Vertriebskosten sei nachvollziehbar, dennoch schränkte
Römer hinsichtlich der geforderten vorvertraglichen
Informationspflichten ein: "Der Verbraucher wird zwar mit mehr
Informationen eingedeckt, aber es macht keinen Unterschied, ob er die
Vertragsbedingungen vor oder nach dem Abschluss nicht liest."

Grundsätzlich begrüßte Römer den verbesserten Verbraucherschutz,
bemängelte jedoch, dass der Gesetzgeber keine konkreten
Handlungsoptionen gäbe und ein Eingreifen stets einen finanziellen
Mehraufwand zur Folge habe. Darüber hinaus appellierte er an die 220
Teilnehmer, den nächsten Schritten der Legislative zuvor zu kommen:
"Der Verbraucherschutz ist doch nicht grundsätzlich gegen die
Interessen der Unternehmen gerichtet. Die Verbraucher sind
schließlich ihre Kunden. Sie zu schützen ist auch Teil des
Wettbewerbs. Je mehr die Branche dies erkennt und sich an die Spitze
dieses Trends setzt, je günstiger wird dies für den Ruf des
Unternehmens sein."

Bilder der Veranstaltung unter: www.konferenz/fotos-aia06-pr

Originaltext: EUROFORUM Deutschland GmbH
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6625
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6625.rss2

Rückfragen bitte an:
EUROFORUM Deutschland GmbH
Pressereferentin
Jacqueline Jagusch M.A. phil.
Telefon: +49 (0) 211/ 9686-3381
Fax: +49 (0) 211/ 9686-4381
jacqueline.jagusch@euroforum.com


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