Jointventure mit chinesischer Universität / PEEK der Hitzeschild unter den Kunststoffen
Geschrieben am 25-10-2006 |
Düsseldorf (ots) - Flug LH 430 von Frankfurt nach Chicago: Joachim Menger, der für ein internationales Elektronikunternehmen tätig ist, wirft einen Blick in seine Geschäftsunterlagen. Plötzlich gerät der Airbus in Turbulenzen. Bitte schnallen Sie sich an, es besteht kein Grund zur Sorge, tönt es beruhigend aus dem Cockpit. Der Geschäftsreisende zieht seinen Gurt fest und blickt aus dem Fenster. Die Tragfläche vibriert ganz schön heftig, lässt er seinen Nebenmann am Gang wissen. Toll, was Aluminium alles aushalten kann. Und Kunststoff erst, erwidert sein Nachbar. Joachim Menger schaut ungläubig.
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Das ist kein Scherz, sogar in Triebwerksanwendungen ist Aluminium teilweise durch ein Spezialpolymer ersetzt worden, bestätigt der Mitflieger, der sich als Kunststoffingenieur vorstellt. Dadurch sind Gewichtseinsparungen von mehr als 50 Prozent möglich.
Der Kunststoff, der Metallen in einigen Anwendungen Paroli bieten kann, heißt Polyetheretherketon kurz PEEK*. Und dieser trotzt eisigen Temperaturen ebenso wie großer Hitze oder hoher mechanischer Belastung. Uwe Kannengießer von der Degussa AG (Düsseldorf ) erläutert: Die Dauerwärmeformbeständigkeit von PEEK liegt bei 260 Grad Celsius.
*PEEK ist die offizielle Abkürzung für Polyetheretherketon gemäß ISO 1043.
Dies ist ein Wert, der bisher von keinem anderen Kunststoff erreicht wird. Doch nicht nur das: Bei 343 Grad Celsius lässt sich PEEK ohne Zersetzung schmelzen das ist wichtig, um das Material in einem Spritzgieß- oder Thermoformprozess in die richtige Gestalt zu bringen, so der Fachmann, der im Geschäftsbereich High Performance Polymers (HP) für die Marktentwicklung neuer Polymere zuständig ist. Erst oberhalb von 400 Grad Celsius tritt Zersetzung ein. Das ist eine Rekordmarke, die bisher von anderen thermoplastischen Kunststoffen bis dato nicht erreicht wurde.
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Um immer höhere Temperaturverträglichkeiten zu verwirklichen, begannen Ende der 80er Jahre weltweit diverse Unternehmen mit der Entwicklung hochtemperaturfester Polymere. Ursprünglich als Laborkuriosität betrachtet, gab PEEK vor rund 20 Jahren über erste Nischenanwendungen sein Debüt auf dem Markt. Die produzierten Mengen lagen anfangs bei bescheidenen 200 bis 300 Jahrestonnen, mittlerweile ist das weltweite Marktvolumen auf rund das Zehnfache gestiegen.
Das Rundum-sorglos-Paket für eine Vielzahl von Anwendungen
Für Christian Bierhaus, der im Degussa-Geschäftsbereich HP strategische Projekte verantwortet, gibt es für die rasch steigende Nachfrage einen plausiblen Grund: Die Anwendungsfelder sind äußerst vielseitig und attraktiv. Das Potenzial des Kunststoffs erschöpft sich nicht allein in der hohen Dauergebrauchstemperatur, er ist in der Summe aller Eigenschaften unschlagbar. So zeichnet sich PEEK beispielsweise durch eine große mechanische Festigkeit und Steifheit aus. Zudem hat es gute elektrische Isoliereigenschaften in Verbindung mit einer hervorragenden Chemikalienbeständigkeit. Professor Dr.Gerhard Wegner, Direktor am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz, unterstreicht die Bedeutung des Newcomers: Es handelt sich zweifelsohne um einen zukunftsträchtigen Werkstoff, der insbesondere für eine Reihe von High-Tech-Anwendungen äußerst interessant ist.
Ein anschauliches Beispiel liefert die wachsende Zahl an Einsatzmöglichkeiten im Automobil - angefangen von Dichtkappen in Unterdruckpumpen über Taumelscheiben in elektrischen Feststellbremsen bis hin zu Anlaufscheiben in Kupplungen und Getrieben.
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Da die Bauteile auf Grund des zur Verfügung stehenden Raums tendenziell schrumpfen, müssen sie große Kräfte durch immer kleinere Flächen übertragen. Das sind Herausforderungen, denen nur hoch verschleißfeste Teile aus PEEK gewachsen sind. Unabhängig davon sprechen auch technische und wirtschaftliche Gründe für dessen Einsatz. So lassen sich Zahnräder und andere Bauteile aus Polymeren im Gegensatz zu metallischen Teilen leicht im Spritzguss fertigen. Da sie als Füllstoff Graphit enthalten, werden sie selbst fettend, was den Einsatz eines zusätzlichen Schmiermittels erübrigt und den Wartungsaufwand erheblich reduziert.
Metalle in den Schatten gestellt
Auch in der Luft- und Raumfahrt ist PEEK gefragt, beispielsweise für die Ummantelung von Kabeln. Kabelstränge werden häufig in Tragflächen verlegt und müssen dort vibrationsbedingt höchsten Anforderungen standhalten. So kann es beispielsweise zu unterschiedlichen Bewegungen der Kabel untereinander oder gegenüber dem Träger kommen. Abriebfestigkeit ist deshalb Trumpf, um ein Durchscheuern der Kabelhülle zu verhindern. Ein weiteres Argument für den Einsatz von PEEK ist das ausgezeichnete Tieftemperaturverhalten des Polymers, welches bei minus 50 Grad Celsius keine Anzeichen von Versprödung zeigt, führt Bierhaus aus. Ähnliches gilt für die Raumfahrt, in der PEEK einen wichtigen Beitrag zum Schutz elektronischer Steuerleitungen leistet. Im Flugzeugbau kommt PEEK unter anderem bei verschiedenen Airbus-Modellen als Ansaugstutzen der Kraftstoffpumpe zum Einsatz. Im Gegensatz zu anderen Thermoplasten hält das Material bei Betriebstemperaturen von minus 40 Grad Celsius bis plus 200 Grad Celsius dem Flugbenzin Kerosin stand. Auch im Bereich der Triebwerksauskleidung wird es vorteilhaft eingesetzt. Auf diese Weise lässt sich das Baugewicht moderner Flugzeuge zu Gunsten der Nutzlast erheblich reduzieren.
- Querverweis: Bilder zur "Deutsch-chinesischen Kooperation für die Prozess- und Produktqualität von PEEK" werden über obs versandt und sind unter http://www.presseportal.de/galerie.htx?type=obs abrufbar -
Erstaunlicherweise stellt das Polymer in puncto Verschleißfestigkeit sogar Metalle in den Schatten. Diese Eigenschaft machen sich bereits die Hersteller von Kompressions- und Trinkwasserförderpumpen zu Nutze, um dem ganzen System - etwa bei Kaltwasseraufbereitungsanlagen - eine höhere Lebensdauer zu verleihen.
Auch die Mikroelektronik dürfte von PEEK nachhaltig profitieren. Davon ist jedenfalls Dipl.-Ing.Christian Seidel vom Lehrstuhl für Polymerwerkstoffe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg überzeugt: In der Technik geht der Trend eindeutig in Richtung flexibler Schaltungsträger, da sich durch die geringeren Materialdicken das Gewicht von elektronischen Baugruppen deutlich reduzieren lässt. Dafür ist PEEK eine sehr gute Lösung, erläutert der Experte.
- Querverweis: Bilder zur Anwendung bei "Flügelrädern in Turboladern" und zur "Qualitätsprüfung" sowie vom Werkstoffexperten "Wanjin Zhang" werden über obs versandt und sind unter http://www.presseportal.de/galerie.htx?type=obs abrufbar -
Von der Turbine zum künstlichen Hüftgelenk
Beständigkeit gegenüber Wärme und Verschleiß sind wiederum Tugenden, die Turbinenbauer Werkstoffen abverlangen. So etwa im Bereich von Steuerungsleitungen, die neben einer besonderen mechanischen Beanspruchung auch eine hohe Temperaturbelastung hinnehmen müssen.
- Querverweis: Bild zum "Einsatz bei V8-Motoren" wird über obs versandt und ist unter http://www.presseportal.de/galerie.htx?type=obs abrufbar -
In chemischen Anlagen gesellen sich zu hohen Umgebungstemperaturen oftmals hohe Dampfkonzentrationen. Auch in diesem unwirtlichen Milieu hat sich PEEK auf Grund seiner hohen Beständigkeit gegen Hydrolyse, also der Spaltung durch Wasser, bisher hervorragend bewährt. Zudem hält der innovative Werkstoff einer Vielzahl von Chemikalien stand. Darüber hinaus ist das Polymer biologisch völlig unbedenklich. So können etwa die aus einer Titanlegierung bestehenden Köpfe künstlicher Hüftgelenke mit Hilfe einer dünnen Kunststoffschicht wirksam vor Verschleiß geschützt werden. Selbst Schläuche, die in der Dialyse zum Einsatz gelangen, werden seit kurzem aus PEEK gefertigt. Auch in einem anderen medizintechnischen Bereich hat es die gestellten Anforderungen mit Bravour bestanden. Beispielsweise sind für Asthmapatienten Inhalatoren im Einsatz, bei denen mit Hilfe einer sehr kleinen Verteilerdüse innerhalb kürzester Zeit ein hoher Druck aufgebaut wird, um das Inhalat stoßartig freizusetzen. Die dabei auf das Material einwirkenden Kräfte sind so groß, dass PEEK auf Grund seiner Verschleißfestigkeit bevorzugt zum Einsatz gelangt.
Für den Geschäftsbereich HP, dessen Stärke maßgeschneiderte Produkte, Systeme und Hochleistungshalbzeuge sind, stellt PEEK eine logische Erweiterung des Produktportfolios dar. Entsprechend unserer Solutions-to-Customer-Philosophie wollen wir unseren Kunden die gesamte thermoplastische Bandbreite anbieten, sagt Experte Bierhaus. Mit VESTAKEEP®, so der Markenname des von Degussa vermarkteten Polymers, ist es jetzt gelungen, hinsichtlich Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit, Abrieb und Gleiteigenschaften den Sprung an die Spitze der Hochleistungskunststoffe zu schaffen. Dies eröffnet auch die Chance, gemeinsam mit Kunden Neuland zu betreten.
Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern weltweit: In China unterhält Degussa mit der Jilin Universität das Jointventure JIDA Degussa High Performance Polymers Changchun Co. Ltd. (kurz als JIDA Degussa bezeichnet). Ziel ist die Produktion von VESTAKEEP® sowie Polyethersulfon. Die Universität fungiert dabei als Technologiegeber und Forschungspartner. An dem Gemeinschaftsunternehmen hält Degussa 80 Prozent, die Jilin Universität 20 Prozent. Das Beispiel zeigt, dass der Know-how-Fluss keine Einbahnstraße sein muss, kommentiert Bierhaus. Es sei keine deutsche Technologie nach China gebracht worden, sondern es habe ein fundiertes Basis-Know-how vor Ort gegeben. Davon werden beide Partner gemeinsam profitieren. Und viele Fluggäste gerade dann,wenn es mal wieder rüttelt und schüttelt.
Degussa in China
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Degussa stellt in China seit Anfang der 90er Jahre Spezialchemieprodukte her; vorher bestanden bereits vielfältige Handelsbeziehungen. Inzwischen gehören dort über 18 Unternehmen mit Produktionsstandorten in Anqiu, Beijing, Changchun, Jining, Liaoyang, Nanning, Qingdao, Rizhao, Schanghai und Yingkou zum Degussa- Konzern. Die breite Produktpalette von Degussa - sie umfasst Carbon Black (Industrieruß), Gummisilane, Aminosäuren, Polyurethanschaum- Additive, Lackpolyester, Pigmentpasten, Farbtonmischsysteme, Hochleistungskunststoffe sowie Initiatoren für die Kunststoffherstellung - richtet sich über China hinaus auch an Kunden in ganz Asien. Im Geschäftsjahr 2005 erwirtschafteten rund 2.600 Mitarbeiter in China einen Umsatz von gut 320 Mio. Euro. Degussa betrachtet China als eine der treibenden Kräfte der Weltwirtschaft. Deshalb will sie ihr Geschäft in dieser attraktiven Wachstumsregion innerhalb von drei Jahren auf rund 800 Mio. Euro steigern.
Als weltweite Nummer eins in der Spezialchemie schafft Degussa mit innovativen Produkten und Systemlösungen Unverzichtbares für den Erfolg ihrer Kunden. Dies fassen wir in dem Anspruch creating essentials zusammen. Im Geschäftsjahr 2005 erwirtschafteten rund 44.000 Mitarbeiter weltweit einen Umsatz von 11,8 Mrd. Euro und ein operatives Ergebnis (EBIT) von 940 Mio. Euro.
Originaltext: Degussa AG Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=18754 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_18754.rss2 ISIN: DE0005421903
Pressekontakt: Hannelore Gantzer Pressesprecherin Konzernbereich Unternehmenskommunikation T +49-211-65041-368 F +49-211-65041-527 hannelore.gantzer@degussa.com
Text und Fotos zum Download verfügbar unter: www.degussa.com/de/presse
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