Voß: Das Thema Integration gehört in die Mitte des Programms - Islamische Glaubenssendungen und Gremienrepräsentanz sind erforderlich
Geschrieben am 25-10-2006 |
Baden-Baden (ots) - Stuttgart. SWR-Intendant Peter Voß hält islamisch geprägte religiöse Sendungen in deutscher Sprache für "dringend erforderlich". Er tritt außerdem dafür ein, dass die islamische Minderheit in den Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks "angemessen vertreten wird". Voß äußerte sich in einem Interview der SWR1-Sendung "Leute" aus Anlass der von seinem Sender unter dem Motto "Islam - so nah, so fremd" veranstalteten Islam-Woche. Auf Anfrage bestätigte Voß, dass er darüber im SWR und seinen Gremien eine konstruktive Diskussion anstrebe. Ihm sei klar, dass in beiden Fällen noch erhebliche Hindernisse zu überwinden seien. "Die Aufgabe muss aber jetzt in Angriff genommen werden, wir dürfen sie nicht schleifen lassen. Der Islam gehört ins Programm - und in die Gremien."
Voß wandte sich zugleich erneut gegen muttersprachliche Nischenprogramme für Migranten, dieser Weg sei kontraproduktiv. "Integration ist das große Thema, wie auch die neue Unterschicht-Debatte zeigt. Und Integration heißt, Menschen, die an unserer freiheitsorientierten Kultur nicht oder ungenügend teilhaben, durch Fördern und Fordern zur Teilhabe zu bewegen." Dabei könnten und sollten öffentlich-rechtliche Angebote in Hörfunk, Fernsehen und Internet "Schrittmacher sein, ohne dass die damit verbundenen Probleme verschwiegen oder verniedlicht werden". Deshalb gehöre dieses Thema "in die Mitte des Programms." Der Fernsehfilm "Wut" habe dies z. B. auf mustergültige Weise geleistet, und es sei selbstkritisch einzuräumen, dass die ARD "wohl auch ein bisschen aus Angst vor der eigenen Courage" damit nicht sehr souverän umgegangen sei, wie die nur begrenzt sachliche Diskussion und die unter Zeitdruck entstandene und damit ungenügend vorbereitete Entscheidung über den Sendeplatz gezeigt habe.
Wenn das Thema Integration in die Mitte des Programms gehöre, dann "brauchen wir allerdings in unseren Aufsichtsgremien auch die entsprechende Repräsentanz der immerhin schon dreieinhalb Millionen Muslime, die nun einmal unsere Mitbürger sind oder werden sollen", sagte Voß. "Wir müssen sie mit unserem Freiheitsverständnis und der diesem Verständnis zugrundeliegenden kulturellen Tradition auch fordernd konfrontieren, aber dafür müssen wir sie erst einmal als Bürger akzeptieren." Natürlich sei es ein Problem, dass es noch keine übergreifend repräsentative muslimische Dachorganisation mit dem Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gebe, die in der pluralen Gesellschaft ein allseits anerkannter Gesprächspartner sein könne. "Wir können aber nicht warten, bis sich eine solche Organisation gebildet hat, wir müssen selbst einen Anfang wagen," meinte Voß. Man solle jetzt mit den muslimischen Gruppierungen, die sich "eindeutig zu unserer freiheitlichen Kultur und zur demokratischen und pluralen Gesellschaft bekennen", das Gespräch darüber aufnehmen, wie - und sei es zunächst in assoziierter Form - diese Mitwirkung ermöglicht werden könne.
Das gelte auch für die Entwicklung und Einführung muslimischer Glaubenssendungen in deutscher Sprache, mit denen man z. B. im Hörfunk mit einem Pilotprojekt erste Erfahrungen sammeln könne. Danach könnten staatsvertraglich abgesicherte Lösungen entwickelt werden, wobei die etablierten Religionsgemeinschaften mit ihren Erfahrungen hilfreich sein könnten. Voß verwies auf das Beispiel Österreichs, wo die "islamische Glaubensgemeinschaft" seit jeher zentraler Ansprechpartner von Staat und Verwaltung sei. "Wir sollten uns jedenfalls nicht hinter Paragrafen verschanzen," forderte Voß. "Nach den Erkenntnissen und erfolgversprechenden Ansätzen, die die Berliner Islamkonferenz im September gezeitigt hat, müssen wir jetzt auch im Rundfunk über den eigenen Schatten springen, und die dialogbereiten Muslime müssen es auch."
Originaltext: SWR - Südwestrundfunk Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=7169 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_7169.rss2
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