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"Jeder dieser Töne ist ein kleines Wunder"

Geschrieben am 30-10-2006

Stuttgart (ots) - Wie eine junge taube Frau dank des
Cochlea-Implantats plötzlich hören kann

Stuttgart, 30. Oktober 2006. "All das Klingeln und Rattern, das
Quietschen und Lachen, das Pfeifen und Husten der Menschen zaubern
ein grandioses Abenteuer in meinem Kopf." Während viele Menschen
versuchen, vor dem täglichen Lärm zu fliehen, genießt Fiona Bollag
diese Geräuschkulisse stets aufs Neue. Und das nicht ohne Grund: 16
Jahre lebte sie in einer lautlosen Welt, weil sie nicht hören konnte.
Dann wurde der tauben jungen Frau bei einer Operation eine
Innenohrprothese eingesetzt. Nun lernt sie hören - und genießt es,
wie sie eine neue Welt entdecken kann: "Hören ist wunderbar. Das ist
wirklich sagenhaft." Das Geheimnis der Heilung hat den Namen
Cochlea-Implantat. Es sorgt dafür, dass die Schallwellen zum Hörnerv
übertragen werden.

Eine Methode, mit der immer mehr taub geborene oder ertaubte
Menschen doch hören können. Seit 1984 erhielten rund 9000 Deutsche,
1500 Österreicher und 3000 Schweizer diese Prothese. Fiona Bollag in
Zürich ist eine von ihnen. Bis zu ihrem zehnten Lebensmonat hatten
die Ärzte die Behinderung nicht erkannt. Zwar wunderten sich die
Eltern immer wieder, warum das Kind nicht erschrak, wenn eine Tür ins
Schloss fiel, das Baby nicht mal blinzelte, wenn jemand laut
klatschte, oder die Kleine schlief, selbst wenn der Staubsauger lief
oder mit Geschirr geklappert wurde. Aber damals schöpfte niemand
einen Verdacht.

Als aber Fionas Vater eines Tages vor ihrer Tür laut in ein
Posthorn blies und das Kind ruhig weiter schlief, war allen klar,
dass die Kleine taub sein muss. Doch die Eltern resignierten nicht.
Mit Hilfe einer Sprach-Therapeutin lernte Fiona nicht die
Gebärdensprache, sondern die normale Umgangssprache. Das Problem: Sie
hatte keine Ahnung, was ein Klang oder ein Geräusch sein sollte. "Ich
konnte mir als kleines Kind überhaupt nicht vorstellen, wie es ist,
richtig zu hören", sagt Fiona heute im Rückblick.

Aber trotz der Spracherfolge und der Tatsache, dass sie in der
Schule sogar besser lesen konnte als ihre Mitschüler, gab es
Rückschläge. Sie wurde wegen ihrer Behinderung gemieden, wurde zur
Außenseiterin: "Ich war einfach anders. Komplizierter.
Anstrengender." Sie dachte gar daran, sich das Leben zu nehmen,
schöpfte aber neuen Mut - und entschied sich trotz großer Skepsis und
der Risiken für die Operation: "Ich kam ja irgendwie ganz gut damit
zurecht, nicht zu hören." Schließlich wurde ihr aber der Minicomputer
durch die Schädeldecke ins Innenohr eingepflanzt.

Das erste Erlebnis nach der Operation wird sie wohl nie vergessen.
Sie trank eine Cola, die plötzlich ganz bitter schmeckte. "Ich hatte
schreckliche Angst, dass ich ab jetzt nicht mehr richtig schmecken
würde", erzählt sie. Aber die Sorge vor einer neuen, weiteren
Behinderung war grundlos. Der Geschmack kam zurück, und das Hören war
plötzlich möglich, als der Techniker im Krankenhaus das Gerät
anschaltete: "Fiona, willkommen im Lärm der Stadt, willkommen im
Kosmos der Geräusche und Töne."

Auch jetzt, sieben Jahre später, erinnert sich die heute
23-Jährige noch gut an jenen Moment: "Ich habe mich bei diesem ersten
Termin wahnsinnig erschreckt. Ich wusste gar nicht, was los ist, was
das alles zu bedeuten hatte." In den folgenden Wochen und Monaten
lernte die junge Frau hören und verstand plötzlich, wie die Rassel,
die sie sieht, und das Geräusch, das das Instrument macht,
zusammenpassen. Vor allem das Hören der eigenen Stimme hat sie tief
bewegt: "Da hatte ich oft Tränen vor Glück in den Augen."

Inzwischen wurde Fiona Bollag auch am anderen Ohr operiert, ihr
Sprachtraining geht weiter. "Jeder dieser Töne ist ein kleines
Wunder", sagt sie noch immer. Manchmal aber, wenn sie von der Arbeit
nach Hause kommt und müde ist von den vielen, teilweise noch
ungewohnten Geräuschen, zieht sie sich in eine andere Welt zurück:
"Ich habe immerhin den Vorteil, dass ich meine Implantate ganz
einfach abschalten und so in die Welt der Stille eintauchen kann."

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Originaltext: Reader's Digest Deutschland
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Bei Rückfragen:
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Öffentlichkeitsarbeit, Uwe Horn
Augustenstr. 1, 70178 Stuttgart
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