WAZ: Nato erhöht den Druck: Debatte über Kampfeinsätze - Kommentar von Angela Gareis
Geschrieben am 13-11-2006 |
Essen (ots) - In Afghanistan werden deutsche Soldaten und Politiker vielleicht noch einmal mit dem Schrecken davonkommen, weil es vernünftige Argumente dafür gibt, dass die Bundeswehr sich auf den Einsatz im ruhigeren Norden konzentriert. Doch die Botschaft der Nato wird durch stete Wiederholung schärfer: Ihr könnt euch nicht ewig drücken. Deutschland hat eine schwierige Debatte vor sich, die eigentlich niemand führen möchte. Außer dem Verteidigungsminister, aber Franz Josef Jung geriet ins Kreuzfeuer der Kritik, als er im Vorfeld des Einsatzes im Libanon von einem "Kampfeinsatz" sprach. Angela Merkel korrigierte ihn umgehend: "Robustes Mandat ist, glaube ich, die richtige Umschreibung."
Auch wenn Jung seither auf dieses Wort verzichtet, er hatte absolut Recht. Jeder Auslandseinsatz der Bundeswehr kann jederzeit zu einem Kampfeinsatz werden. Kein Mandat kann so sturmfest ausgestaltet werden, dass die Wirklichkeit sich ihm beugen würde. Wenn Soldaten sich eines Angriffs erwehren müssen, dann ist das ein Kampfeinsatz. Dafür werden sie weltweit ausgebildet, auch hierzulande.
Dass Deutschland aus seiner Geschichte heraus eine pazifistische Grundhaltung entwickelt hat, ist aller Ehren wert. Bloß verstehen die Verbündeten viele Vorbehalte nicht mehr, weil sie die Republik als souveräne Demokratie erleben. Je länger sich die Bundeswehr auf Stabilisierung, Wiederaufbau und Patrouille beschränkt, desto mehr drängt sich in der EU und in der Nato die Ahnung auf, dass Deutschland das Leben seiner Soldaten und seine moralische Position schonen wolle. Töten und Sterben sollen besser die anderen, um den Verdacht grob auf den Punkt zu bringen.
Aber unter Partnern, die auf Leben und Tod füreinander eintreten sollen, darf sich ein solches Misstrauen erst gar nicht andeuten. Möglicherweise wird Deutschland an Einfluss auf die Strategien der Alliierten verlieren, eben auch den Einfluss darauf, dass Wiederaufbau in Krisenregionen immer weiter in den Mittelpunkt rückt.
Eine Debatte über Kampfeinsätze zu führen, das wäre nicht allein gegenüber den Verbündeten ehrlich, sondern auch gegenüber den deutschen Soldaten. Sie erregen mehr Aufmerksamkeit, wenn sie mit Totenschädeln hantieren, als wenn sie sterben. In der deutschen Vorstellung vom bewaffneten Pazifisten taucht die Angst der Soldaten, die auch zu Fehlverhalten führen kann, kaum auf. Gemessen an dieser Angst benötigte die Große Koalition für eine Debatte vergleichsweise wenig Mut.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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