WAZ: Der CDU-Parteitag: Keine Botschaft, kein Sinn für Realität - Kommmentar von Angela Gareis
Geschrieben am 28-11-2006 |
Essen (ots) - Mit zwei nochmals beschlossenen Beschlüssen balancierte die CDU in Dresden ihren Richtungsstreit aus. Das sagt viel aus über den Veränderungswillen einer Partei, die Deutschland verändern will. Der Antrag von Jürgen Rüttgers zum Arbeitslosengeld für Ältere (Parteitagsbeschluss 2004) wird nie umgesetzt werden, der Antrag von Günther Oettinger zur Lockerung des Kündigungsschutzes (2003) wird für die Zeit der Großen Koalition in der Schublade bleiben. Über beide Anträge wurde breit diskutiert, aber der Antrag auf eine umfassende Kindergartenpflicht, mit der zunehmender Bildungsarmut begegnet werden könnte, wurde wortarm abgelehnt, später ein schwächerer Vorschlag angenommen.
Dieses Thema hätte Anlass für eine echte Richtungsdiskussion geboten: darüber, wie man die zerfallende Gesellschaft zusammenhalten kann; darüber, dass ein Viertel der Kinder eines Jahrgangs in der Schule nicht mitkommen, weil sie nicht Deutsch sprechen oder weil ihre Eltern sie vernachlässigen. Diese Kinder sind die Nichtwähler von morgen, oder sie wählen NPD, aber garantiert nicht die CDU.
Die Angst der Volkspartei vor Umfragewerten hat sie in inhaltliche Starre versetzt. Ihre größte Angst besteht darin, sich selbst zu reformieren. Die CDU will die Stammwähler nicht irritieren, aber die werden ohnehin weniger, weil das Bürgertum wegbricht. Nur, wer es in Deutschland sehr weit nach oben schafft, hat keine Angst vor der Zukunft. Die handelnden Politiker haben es sehr weit nach oben geschafft. Vielleicht auch deshalb nähern sie sich den großen gesellschaftlichen Problemen so desinteressiert. Menschen, die heute in Deutschlands Mitte leben, beschäftigen sich weit mehr mit sozialem Abstieg. Denn der Verlust der Arbeit kann ein Leben in Hartz und einer Unterschicht bedeuten, die mehr als früher ungebildet und hoffnungslos ist.
Einigen Delegierten war durchaus unwohl, wenn sie über die Botschaft des Parteitags nachdachten: Der Richtungsstreit ist beendet. Wir haben über realitätsfremde Anträge diskutiert. Wir haben uns zusammengerauft, damit wir weniger Angst vor Umfragewerten haben müssen. Das ist paradox, denn die Angst der Wähler vor der Unfähigkeit der Volksparteien ist sicher größer als die Angst der Volksparteien vor den Wählern. Unwohl war einigen Delegierten auch deshalb, weil sie ahnen, dass sie das wichtigste Thema der Zeit - Bildung - nicht richtig einschätzen. Nebenbei: Die plakatierte Botschaft des Parteitags würden Lehrer ihren Schülern nicht durchgehen lassen. "Deutschland. Erfolgreich. Machen."
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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