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Westfälische Rundschau: WR-Kommentar zur Türkei/Zypern

Geschrieben am 07-12-2006

Dortmund (ots) - Von Klaus Schrotthofer

EU-Diplomaten sind bescheidene Menschen. Sie sind jedenfalls
erfreut darüber, dass die Türkei künftig einen Hafen für zypriotische
Schiffe öffnen will. Dafür soll Europa den Handelsboykott gegen den
von der Türkei rechtswidrig besetzten Nordteil Zyperns beenden und
die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortsetzen. Die EU spricht
von einer "positiven Entwicklung".

Das ist in etwa so, als ob ein Ehepartner beim Paartherapeuten
den Vorschlag macht, die Seitensprünge einzustellen, wenn der (oder
die) Geliebte mit in die eheliche Wohnung einziehen kann - und der
(oder die) Betrogene lobt diesen außerordentlichen Gunstbeweis. Nun
treffen sich Diplomaten (leider) selten in Anwesenheit von
Therapeuten und auch von Liebe war nie die Rede in der komplizierten
Beziehung zwischen der Türkei und der EU. Das politische Gezerre um
den Beitritt der Türkei in den Euro-Club treibt inzwischen allerdings
skurrile Blüten. Die EU beginnt, sich lächerlich zu machen.

Ja, es stimmt: Europa hat die Türken über mehr als 40 Jahre
vertröstet und mit vagen Versprechungen hingehalten. Ja, es gibt auch
heute noch Politiker, die - wie jüngst Edmund Stoiber auf dem
CDU-Parteitag in Dresden - versuchen, Wahlkämpfe mit diesem Thema
aufzuladen. Es gibt aber auch ernst zu nehmende Argumente, die gegen
einen EU-Beitritt der Türkei sprechen. Verkraftet die Gemeinschaft
die Integration eines so riesigen Staates mit all seinen
wirtschaftlichen und sozialen Problemen? Und ist die Türkei wirklich
bereit, den Wertekanon dieser Gemeinschaft ohne Vorbehalt zu
akzeptieren?

Die EU hat klare Kriterien benannt, die vor der Aufnahme von
Beitrittsverhandlungen erfüllt sein müssen. Diese Kriterien dulden
weder zweideutige Interpretationen noch lassen sie Raum für
politische Geschäfte. Wer weiß, wie groß das Unbehagen in Europa im
Hinblick auf die Aufnahme der Türkei ist, muss umso entschiedener auf
eine buchstabengetreue Erfüllung der EU-Bedingungen dringen - auch
und gerade, wenn er der Türkei wohl gesonnen ist. Es gibt keinen
Hintereingang in die EU.

Originaltext: Westfälische Rundschau
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=58905
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Rückfragen bitte an:
Westfälische Rundschau
Redaktion

Telefon: 0231/9573 1254


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