LVZ: Die Leipziger Volkszeitung zu EU/Türkei -
Geschrieben am 07-12-2006 |
Leipzig (ots) - Von Bernd Hilder. Und sie bewegt sich doch, die Türkei. Aber nur ein wenig. Ein großer Schritt in Richtung EU-Beitritt wäre es noch nicht, falls Ankara tatsächlich einen Hafen und einen Flugplatz für direkte Verkehrsverbindungen aus Zypern öffnen sollte. Aber das türkische Pokern und Bluffen um diplomatische Millimeter-Gewinne, wo fundamentale Zugeständnisse nötig und unter Freunden selbstverständlich wären, bringt die EU-Regierungen in eine taktische Bredouille. Ankara versucht geschickt, einen Keil zu treiben: zwischen jene Staaten, die die Türkei wegen prinzipieller Bedenken lieber aus der EU heraushalten wollen und deswegen konsequente Beitrittsanforderungen stellen, und denen, die der türkischen Regierung selbst konfrontativen Starrsinn durchgehen lassen wollen. Eigentlich müsste die EU die Beitrittsverhandlungen zu einem guten Teil auf Eis legen, weil sich Ankara stur weigert, das EU-Mitglied Zypern als Staat anzuerkennen. Aber ist das nach dieser wohl dosierten Portion türkischen Honigs noch möglich? Eindeutig ja. Die finnische Ratspräsidentschaft sollte sich nicht aufs Glatteis führen lassen. Wenn die Türkei überhaupt eine Chance auf einen EU-Beitritt haben will, muss sie Zypern ohne Wenn und Aber und ohne Vorbedingungen komplett anerkennen. Ein bisschen Defacto-Anerkennung Zyperns durch die Hintertür reicht nicht aus. Auch darf sich die EU nicht auf Forderungen einlassen, im Gegenzug direkte Verkehrsverbindungen in das türkisch dominierte Nordzypern zuzulassen. Damit würden die EU-Regierungen eigenhändig ihrer bisherigen Zypernpolitik die kräftigsten Zähne ziehen. Die außenpolitische Schlappe europäischer Prinzipienlosigkeit wäre perfekt. Es war ein strategischer Fehler, Beitrittsverhandlungen ohne vorherige Lösung der Zypernfrage aufzunehmen. Jetzt droht ein jahrelanges diplomatisches Gefeilsche wie auf einem Teppich-Basar. Man kann der Regierung Erdogan bestenfalls zugute halten, dass sie innenpolitisch wegen Zypern massiv unter Druck steht und Positionen nur portionsweise aufgeben kann, weil ihr sonst die Abwahl droht. Aber wenn die türkische Öffentlichkeit weitgehende Kompromisse im Zypernkonflikt ablehnt, ist dies erst recht ein Grund, sich mit Verhandlungen solange Zeit zu lassen, bis sich die Stimmung in der Türkei abgekühlt hat. Das politische Hickhack dieser Tage beweist, wie unrealistisch ein EU-Beitritt der Türkei schon in den kommenden zehn oder 15 Jahren ist. Fragen nach politischer Stabilität, wirtschaftlicher Unterentwicklung in Anatolien, Menschenrechtsverletzungen, nach dem Einfluss moslemischer Fundamentalisten sowie der Religionsfreiheit für Nicht-Moslems wiegen auf Dauer schwerer als der Konflikt um eine kleine, geteilte Mittelmeerinsel. Viel zu schnell haben sich die Europäer von der Idee einer privilegierten Partnerschaft zwischen der auf christlichen Wertewurzeln verankerten EU und der islamischen Türkei verabschiedet, wie sie von Angela Merkel schon ins Spiel gebracht wurde, als sie noch Oppositionsführerin war. Auch so ließe sich Ankara stärker an Europa binden, ohne die EU geografisch zu überdehnen und damit ihre Existenz zu gefährden.
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