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Börsen-Zeitung: Verwirrende Ermittlungen, Kommentar von Michael Flämig zur Rolle der Ermittler in der Siemens-Finanzaffäre

Geschrieben am 18-12-2006

Frankfurt (ots) - Die Siemens-Finanzaffäre beschäftigt die
Republik. Es geht um aufregende Vorwürfe, riesige Beträge und
berühmte Namen. Alle Ingredienzien für einen Krimi rund um das Thema
"Moral und Geschäft" sind vorhanden. In der Aufregung gerät
allerdings die Faktenlage allzu leicht aus dem Blick. Tatsache ist:
Die öffentlichen Kenntnisse sind überschaubar.

Was wissen wir? Nur drei wesentliche Informationen dürfen als
gesichert gelten. Erstens kassierten zweifelhafte Berater
Millionenbeträge, zweitens veranlasste der Bereich Com diese
Zahlungen und drittens wurde ein halbes Dutzend Menschen verhaftet.
Das ist monströs genug. Doch es gilt festzuhalten: Das war's. Es gibt
keine Anklage und nicht einmal eine umfassende Darstellung der
Ermittler.

Diese Ausgangslage kontrastiert mit der Bereitschaft, einzelnen
Managern die Verantwortung zuzuweisen. Ob Wirtschaftsminister oder
Kneipenwirt, jeder hat sich sein Urteil gebildet. In der breiten
Masse sind es Verurteilungen. Woher stammt diese Urteilsfähigkeit?

Verständlicherweise übersteigt es das Vorstellungsvermögen, dass
derartige Summen ohne Wissen der Führung geflossen sein könnten. Doch
Intuition kann nicht Basis für Urteile sein. Die öffentliche
Wahrnehmung ist auch durch Aussagen aus Vernehmungen geprägt, die in
den Medien landen. Die Ermittler sind unwillens oder nicht in der
Lage, den andauernden Informationsfluss zu stoppen. Es existiert eine
Kultur der Weitergabe von Befragungsergebnissen.

Nun also wird der ehemalige Siemens-Finanzvorstand "schwer
beschuldigt", wie zu lesen ist. Von wem eigentlich? Nicht von der
Staatsanwaltschaft wird Heinz-Joachim Neubürger belastet, sondern
durch einen Beschuldigten. Dessen Anschuldigung kann richtig sein -
oder falsch. Welcher Inhaftierte maximiert seine eigene Schuld? Wenn
es den kolportierten Hinweis eines KPMG-Beschäftigten auf merkwürdige
Zahlungen gegeben hat, könnte es sich bei diesen Überweisungen um
korrekte Vorgänge gehandelt haben - oder auch nicht.

Ungeachtet ihres Wahrheitsgehalts sind die Anschuldigungen in der
Welt. Dies ist für die Betroffenen fatal. Aber es ist auch schlecht
für den Rechtsstaat. Vorverurteilung wird gefördert und die
Gerechtigkeit geschwächt. Die Ermittler wollen den Fall Siemens in
den Griff bekommen. Sie müssen auch ihr eigenes System beherrschen
lernen.

(Börsen-Zeitung, 19.12.2006)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=30377
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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