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LVZ: Leipziger Volkszeitung zu "Idomeneo"

Geschrieben am 19-12-2006

Leipzig (ots) - Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit
gibt sich nach der Wiederaufnahme von Hans Neuenfels' Idomeneo
pathetisch zufrieden: "Das war eine politische Demonstration für die
Kunstfreiheit", sagte er und strahlte durchs Foyer der Deutschen
Oper.

Das mag das Stadtoberhaupt, das sich in Personalunion auch um die
kulturellen Belange der Bundeshauptstadt zu kümmern hat, so sehen.
Aber politische Demonstration hin wie her: Die Freiheit der Kunst hat
diesen Kampf verloren. Nicht erst vorgestern im dramatisch
abgesicherten Charlottenburger Opernhaus, sondern bereits im
September, als die unwürdige Posse um eine eher unerhebliche
Mozart-Inszenierung begann. Weil Intendantin Kirsten Harms,
aufgeschreckt durch eine diffuse Gefährdungsanalyse, die eine ebenso
diffus besorgte Anruferin ausgelöst hatte, den eigenen Spieplan
schlachtete. Dabei zeigt die - dem Karikaturen-Streit am Jahresbeginn
zum Trotz - törichte Sorge, Muslime weckten gleich die Schläfer,
fühlen sie sich auf den Schlips getreten, wie groß der
Gesprächsbedarf ist.

Die richtigen Lehren aus der Affäre zog wohl Bundesinnenminister
Wolfgang Schäuble. Der lud Vertreter islamischer Organisationen in
die Oper ein, um dem möglichen Dialog das nötige Fundament zu geben -
eine Initiative, die auch der Intendantin gut zu Gesicht gestanden
hätte. Die richtigen Lehren zogen wohl auch diese Vertreter
islamischer Organisationen, die sich, ganz unaufgeregt, entweder ein
eigenes Bild machten - oder auch nicht. Denn die Freiheit, die die
Kunst für sich reklamiert, bedarf auf der anderen Seite immer auch
der Freiheit, sich nicht mit ihr auseinandersetzen zu müssen.

Nun hat die Welt die Produktion also wieder gesehen, und viele
Fragen sind offen: Warum beispielsweise soll die Gefährdung am
Montagabend weniger groß gewesen sein als vor drei Monaten? Warum war
es nicht möglich, die Opernbesucher zu schützen, als noch niemand
oder längst niemand mehr redete über die schon gut drei Jahre alte
Idee, Neptun, Buddha, Mohammed, Jesus zu köpfen, und der Saal
wahrscheinlich halb leer geblieben wäre? Schließlich: Warum haben
drei Monate lang Gott und die Welt lautstark über eine den meisten
unbekannte Produktion einer den meisten unbekannten Oper debattiert?
Es könnte an der deutschen Debatten-Kultur liegen, in der allzu oft
das eilige Statement die Auseinandersetzung ersetzt.

Die Kunst jedenfalls spielte keine Rolle in diesem Streit, der
sich vorgeblich um ihre Freiheit drehte. Sonst hätte ein
60-Sekunden-Epilog nach drei Stunden Mozart sie nicht im Bewusstsein
der Öffentlichkeit auslöschen können. Es bleibt also von Wowereits
These der politischen Demonstration für die Freiheit der Kunst nur
noch die politische Demonstration. Und dass es so weit kommen konnte,
das ist das eigentliche Versäumnis der Kirsten Harms.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/2181 1558


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