Westdeutsche Zeitung: Sozialer Friede in Gefahr = von Alexander Marinos
Geschrieben am 20-12-2006 |
Düsseldorf (ots) - Wenn der Mitgliederschwund so weitergeht, dann wird es in zwei Generationen keine Gewerkschaften mehr geben. Mag sein, dass sich darüber viele Menschen in Deutschland freuen. Die meisten interessiert es vermutlich nicht einmal. Sie nehmen die Gewerkschaften schon lange nicht mehr als relevante Gegenmacht zu den Arbeitgebern, als dritte Kraft jenseits von Markt und Staat wahr. Das ist reichlich kurzsichtig. Denn die Gewerkschaften sind ein unverzichtbarer Ordnungsfaktor. Sie haben einen wesentlichen Anteil an jenem sozialen Frieden, für den uns andere Länder beneiden. Wie irrlichternd manche Äußerungen der Herren Bsirske, Peters und Co. auch sein mögen - wenn es darauf ankommt, stehen sie zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, wie die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre gezeigt hat.
Der Mitgliederrückgang hat mehrere Ursachen. Seit den 60er Jahren nimmt die Zahl der Facharbeiter ab. Angestellte können nicht im gleichen Maße gewonnen werden. Hinzu kommt, dass viele Vollzeitstellen zugunsten geringfügig und/oder nur zeitweise Beschäftigter gestrichen wurden. Eher hausgemacht ist das Problem der verkrusteten Strukturen. Wer das Wort "konservativ" vor allem auf bürgerliche Organisationen bezieht, war wohl noch nie auf einer ordentlichen Gewerkschafter-Versammlung. Mit ihrer verstaubten Kultur als Arbeiter-Organisationen schrecken Gewerkschaften junge Leute und Frauen konsequent ab.
Vor allem die Volksparteien sind nun in der Pflicht, die Arbeitnehmer-Organisationen besser einzubinden und so deren soziale Macht zu stärken. Denn diese Macht ist Voraussetzung dafür, dass faire Tarifverträge zustande kommen, zu deren Einhaltung die Gewerkschaften ihre Mitglieder anschließend verpflichten - so lange es noch Mitglieder gibt.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62556.rss2
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