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LVZ: Leipziger Volkszeitung zur Merkel-Rede

Geschrieben am 17-01-2007

Leipzig (ots) - Merkels VisionenDie Raumschiff-Atmosphäre, die der
gewaltige fensterlose runde Straßburger Parlamentssaal ausstrahlt,
passte zur Rede der neuen EU-Ratspräsidentin. Angela Merkel verharrte
nicht bei den vielen zähen kleinen Streitobjekten, die den Alltag der
Europäischen Union prägen. Sie schob diese für einen Moment beiseite
und hob ab ins Reich der Visionen. Die Kanzlerin öffnete damit den
Blick für Werte wie Freiheit, Toleranz und partnerschaftliches
Miteinander, die eigentlich das Europa der nunmehr 27 Staaten
kennzeichnen sollen.
Gerade als Ostdeutsche wirkte sie dabei glaubwürdig und gewann viele
Sympathien. Denn sie rückte wieder ins Bild, was im Ärger über
Verfassungsstreit und Bürokratie oft untergeht: Dieses einzigartige
Haus Europa mit seinen vielen Bewohnern und Potenzialen. Das
Präsidentschaftsprogramm, das Angela Merkel den EU-Parlamentariern
vorstellte, klingt auf den ersten Blick nicht allzu ehrgeizig. Aber
in Brüssel und Straßburg wurde schon so manches fulminante Projekt
verkündet, das jetzt irgend-wo festklemmt oder schon ad acta gelegt
wurde. Wer hier als Tiger kühn zum Sprung ansetzt, kann leicht als
Bettvorleger landen. Insofern hat sich die Bundesregierung auf das
Mach-bare verlegt, bleibt etwas vage, aber solide. Merkels
Politikstil ist ohnehin eher das Vermitteln als das kühne
Durchsetzen. Ein Vorgehen, das auf der europäischen Bühne hilfreich
sein kann.
Mit der Präsidentschaft haben die Deutschen eine Reihe von Baustellen
übernommen, wie den Verfassungsprozess, die Energiesicherheit, den
Klimaschutz, die Einwanderung, den Bürokratieabbau oder das
Arbeitslosenproblem. Und die Erwartungen der anderen Mitgliedsländer
an das größte EU-Land sind besonders hoch. Das verstärkt zwar den
Druck, bringt aber keine Wunderheilkräfte. Die wichtigste und
zugleich schwierigste Baustelle ist die Verfassung. Gelänge es
Deutschland nicht, den Prozess in aussichtsreiche Bahnen zu lenken,
wäre die EU auf lange Sicht handlungs- und erweiterungsunfähig.
Damit die EU nicht an ihrer eigenen Bürokratie erstickt, braucht sie
ein neues Regelwerk. Wichtig wäre das auch für die Länder des
westlichen Balkans, die wenigstens längerfristig eine europäische
Perspektive brauchen. Doch Erweiterungs- und auch
Verfassungsdiskussion dürfen nicht über die Köpfe der Bürger hinweg
erfolgen. Dass sollte auch Angela Merkel bei ihren Gesprächsrunden
bedenken. Sonst wächst die Anti-Europa-Stimmung. Bis Juni will sie
den Fahrplan für den Verfassungsvertrag vorlegen. Ein ehrgeiziges
Ziel. Aber mit der ihr eigenen Zähigkeit könnte sie das sogar
schaffen. Und es ist zu begrüßen, dass Merkel nicht - der Kompromisse
wegen - Teile der Verfassung einfach streichen will, sondern vom
jetzigen Entwurf ausgeht und so viel wie möglich von dessen Substanz
erhalten will. Auch eine gute Vision.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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