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WAZ: Dieter Bohlens Sprüche: Tief unter der Gürtellinie - Leitartikel von Michael Stenger

Geschrieben am 23-01-2007

Essen (ots) - Wer Dieter Bohlen anprangert, muss auch das
Fernsehen an den Pranger stellen. Die Macher, die "Deutschland sucht
den Superstar" als Geschäftsidee entwickelt haben, wissen, dass sie
den Geschmack eines keineswegs kleinen Publikums treffen. Wir sind
nicht nur ein Land der Denker und Dichter, sondern auch ein Land, in
dem Unterhaltung mittlerweile aus der
untersten Schublade gezogen wird.

Was uns Tag für Tag - und gerade am Nachmittag, der natürlich von
Kindern genutzt wird - vor allem die Privaten präsentieren, ist in
Monotonie und Anspruch kaum zu unterbieten. Da gibt es Gerichtsshows,
bei denen in gestellten Szenen Sex, Gewalt und Fäkalsprache ins Wohn-
oder Kinderzimmer springen. Die Talks, die zum größten Teil nur
wirkliches Leben vorspiegeln, begeben sich gerne unter die
Gürtellinie und in sexuelle Randzonen: Hilfe, mein Vater ist meine
Mutter - oder so ähnlich. Das alles zur besten Sendezeit. Da freut
man sich schon über die Zoo-Dokus, die
irgendwie erbaulich sind.

Dieter Bohlen spielt wirkliches Leben nicht vor. Er ist als
Boulevardkönig ein Meister der verbalen Entgleisung - und vermutlich
noch stolz darauf. Er putzt Jugendliche mit seinen Sprüchen runter -
und trifft eine ganz empfindliche Stelle der Heranwachsenden. Er
liebt sexistische Kommentare - und hat viele Lacher auf seiner Seite.
Die da mit ihm urteilen, sind milder, denn schlimmer geht's nimmer.
Aber sind sie deshalb besser? Die Jugendschützer, die auch auf das
unterste Sprachniveau Dieter Bohlens verweisen, sind im Recht.

Aber ganz so einfach ist die Sache natürlich nicht. Wenn nämlich
alle Welt diesen Bohlen als Sprücheklopfer abtut und abschalten
würde, hätte die Sendung keinen Zuspruch. Bohlen und seine Welt sind
immer wieder gut für Aufschlagseiten im Boulevarddschungel. Was macht
er wieder, unser Macho? Da ist dann so ein süffisantes Lächeln. Ja,
der Bohlen - noch ein Kavaliersdelikt. Hoppla, der schlimme Kerl. Wie
da über und mit Frauen geredet wird, hätte früher mal Feministinnen
zum mehr oder weniger edlen Wettstreit inspiriert. "Du bist doch ein
hübsches Mädchen, du kannst doch auch was anderes machen." Das sagt
Dieter Bohlen und noch viel Ärgeres.

Bohlen lebt von der Schadenfreude und vom Voyeurismus seiner
Zuschauer. Man kann es als scheinheilig betrachten, ihn zu
kritisieren. Man muss ihn erkennen als Teil eines Niveauverfalls, der
kaum aufzuhalten ist. Bücher statt Fernsehen - das ist ein Traum, der
wohl ausgeträumt ist.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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